Ani DiFranco - Unprecedented sh!t
Righteous Babe / MembranVÖ: 12.07.2024
Eigen und Sinn
Es ist schon eine unvergleichliche Lebensleistung, dass im Jahr 2024 immer noch ein Album von Ani DiFranco erscheint, auf dem ebenfalls noch immer das Logo von Righteous Babe Records prangt – gründete die Amerikanerin ihr eigenes Label doch bereits 1990 und veröffentlichte sie seitdem weit über 20 Alben in Eigenregie. Damit gehört sie zu den ganz großen Vorbildern unabhängiger Musiker*innen, die von Beginn an auf die Unterstützung der Musikindustrie pfiffen und ihr eigenes Ding durchgezogen haben. Gerade in den Anfangsjahren ist das umso erstaunlicher, da eine Menge Geld zu verdienen war, als mit dem Grunge auch die Singer-Songwriter-Welle über die Jugend schwappte. Doch diese Beharrlichkeit zahlt sich heute aus, Ani DiFranco hat sich so freigespielt, dass sie auf niemanden mehr Rücksicht nehmen muss, klar und deutlich ihre Kunst und ihre politischen Ansichten vertreten kann. In der politischen Sphäre engagiert sie sich aktuell mit einem Buch für junge Menschen, um sie im Wahljahr an die Urnen zu bekommen. Die Themen Gerechtigkeit und Feminismus sind bei ihr ohnehin Dauerbrenner.
Musikalisch legt sie mit "Unprecedented sh!t" ihr 23. Album vor, das sich völlig dem experimentellen Folk hingibt und keine Zugeständnisse an den Mainstream macht. Hier hat wirklich keine Plattenfirma mehr hineingeredet, DiFranco ist die Plattenfirma. Und so findet sich hier einerseits ein buntes Potpourri an Songs: Manchmal gibt es eine Klangcollage mit Spoken-Word-Anteilen wie im Titeltrack oder dem experimentellen "Virus", dann wieder ganz sanfte Folksongs, wie in "New bible" oder "You forgot to speak". Andererseits hat die US-Amerikanerin ein in sich schlüssiges und rundes Werk geschaffen. Die Texte kreisen im gewohnten DiFranco-Universum um Selbstbestimmung, Gleichberechtigung, das Ringen um den Freiheitsbegriff und das Hadern mit Glaubenssystemen.
Dabei ist sie dieses Mal erstaunlich direkt und angriffslustig. Aber schwere Zeiten erfordern offensichtlich klarere Worte. Es bleibt aber poetisch und wird an keiner Stelle platt. DiFranco macht einfach, was sie will, und weiß dabei auch noch, was sie tut. Das muss man auf der anderen Seite des Lautsprechers erst einmal aushalten – wir werden in diesem Leben von ihr kein Hit-Album mehr geliefert bekommen. Aber Songs, die endlich wieder überraschen und die Grenzen des Folk wieder ein wenig weiter schieben. Das ist nicht immer einfach konsumierbar. Aber wie sagte schon Noel Gallagher: Die Leute bekommen, was sie brauchen und nicht, was sie wollen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Virus
- Unprecedented sh!t
- New bible
- The thing at hand
Tracklist
- Spinning room
- Virus
- More or less free
- Baby Roe
- Unprecedented sh!t
- New bible
- Boots of a soldier
- You forgot to speak
- The thing at hand
- Interlude
- The knowing
Im Forum kommentieren
ijb
2024-07-27 01:17:30
So wenig Aufmerksamkeit bekommt diese Songwriterin hier im Forum! Ein paar Alben von ihr wurden rezensiert, aber der letzte Kommentar im Forum zu ihr ist von 2008(!!).
Ich hab mir dieses neue Album direkt mal ungehört gekauft, habe mehrere CDs von ihr (nicht alle, aber immerhin einige). Ich finde es sehr gut. Die Besprechung trifft es auch ziemlich gut - wenngleich ich annehme, dass die Beschreibung "experimentell" und "keine Zugeständnisse an den Mainstream" einige hier abschrecken wird. Dabei ist das, was sie macht, ja keineswegs experimenteller oder weniger eingängig als viele hier im Forum beliebte "Indie"-Bands und -Interpeten. Ani DiFranco dürfte echt mehr Wertschätzung bekommen.
Armin
2024-07-22 20:25:41- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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