Communicant - Harbor song

Bingo Masters
VÖ: 05.07.2024
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

The Beatles 4.0

Eine der wirklich wichtigen, aber niemals zu beantwortenden Fragen lautet: Wie würden The Beatles heute klingen, wenn sie sich nie aufgelöst hätten? Jeff Lynne füllte diese Lücke in den 70ern und 80ern mit seinem Electric Light Orchestra. Da konnte man einen verschwommenen Eindruck davon bekommen, was die vier Pilzköpfe mit der neuen Technik so angestellt haben könnten. Aber wir werden es nie erfahren. In schöner Regelmäßigkeit versuchen sich Künstler an einer Neuinterpretation des Beatles-Sounds, zuletzt ist es Dylan Gardner alias Communicant auf seinem Debütalbum "Sun goes out" sehr gelungen.

Mit "Harbor song" wird diese Richtung nun ausgebaut und in einen ganz eigenständigen Sound überführt. Flächige Arrangements stapeln sich mit einer Fülle an Streichern und Orgeln übereinander. Aber bereits "Annabella" hat diese typische Melodieführung, die sofort an die Fab Four erinnert. Und auch bei "Open your window" könnte die Gitarre von George Harrison stammen, wenn man es nicht besser wüsste. Daneben durchzieht das neue Album ein Hauch der 90er, als Rivers Cuomo noch Balladen sang und Radiohead ein schlichtes Piano ganz eigenständig klingen lassen konnten. Und doch ist "Harbor song" das alles nicht so ganz, Communicant sind weit davon entfernt zu plagiieren. Dafür sind Songs wie "Dream state" und "Normandy" viel zu persönlich und musikalisch ausgefeilt. Aber will man diese Komplexität beschreiben, müssen schon die ganz großen Schubladen geöffnet werden.

Das spricht natürlich für die Band und Schreiberling Gardner. Obwohl auch die Frage erlaubt sein muss, ob ein Zwischenspiel wie "Postcard" überhaupt notwendig gewesen wäre, schließlich brauchen die meisten Songs ohnehin mindestens eine halbe Minute, bis sie zum Gesang kommen. Das ist ungewöhnlich für die heutige Streaming-Zeit. Es zeigt aber auch, dass hier Musikalität über die Knechtschaft der Klickzahlen gestellt wurde, was das Album wunderbar entschleunigt und sein Publikum gleich dazu. Mit "St. Allison", "Controller" und "Move close" gibt es einen Ausblick, wohin die fünf Kalifornier in Zukunft ihre Band noch treiben wollen. Das Ende des Albums wird deutlich ruhiger, nachdenklicher – und erzeugt eine sphärische Trance, der man sich kaum entziehen kann.

(Stephan Dublasky)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Annabella
  • Open your window
  • Dream state
  • Normandy

Tracklist

  1. The day
  2. Annabella
  3. Open your window
  4. Drift
  5. Falling into one
  6. Dream state
  7. Normandy
  8. Postcard
  9. St. Allison
  10. Controller
  11. Move close
Gesamtspielzeit: 40:41 min

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