Travis - L.A. Times

BMG / Warner
VÖ: 12.07.2024
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Wer wird denn gleich persönlich werden?

Jetzt ist es so weit, selbst Travis haben es getan. In ihrem Promotext zu "L.A. Times" steht tatsächlich die klischeehafte Phrase, es sei ihr persönlichstes Album seit "The man who", was immerhin 25 Jahre her ist. Teilweise 22 Jahre alt war Frontsänger Fran Healy damals beim Schreiben der Songs. Mittlerweile ist er 50. Und auch wenn er nicht mehr in Glasgow wohnt und auch Berlin längst hinter sich gelassen hat, so wirklich anders klingt das zehnte Album seiner Band gar nicht unbedingt. Und das, obwohl das Quartett auch seit 1994 in derselben Besetzung unterwegs ist.

Ganz im Gegenteil sogar gibt es die absolut typischen Travis-Songs wie "Alive", das als verkleideter Zwillingsbruder von "Side" von "The invisible band" anfängt und dann mit dem ausgeschrieben sehr willkürlich aussehenden "Na na na, hey hey, bye bye bye bye bye bye bye bye" Zuflucht zwischen Steam und Neil Young sucht. Eine hymnische Erklärung, sich nicht mit kleinen Aufregungen aufzuhalten, sondern zu genießen, dass man noch am Leben ist. Und da ist auch wieder der typische engelsgleiche Falsettgesang Healys über leisem Gitarrenpicking im bittersüßen "Live it all again", das seiner Ex-Frau Nora und ihrer zwei Jahrzehnte umspannenden Beziehung gewidmet ist, die 2019 endete: "In spite of all the pleasure / In spite of all the pain / If I could turn the clock back / I would live it all again."

Ein bisschen weirder wird es hingegen in "I hope that you spontaneous combust", das stark an Becks "Mellow gold"-Zeiten erinnert und über Drumloop und Steel Guitar wie eine Art Disstrack klingt, beziehungsweise dem, was sich Demokraten vermutlich für Donald Trump wünschen. Passt aber auch, da das ganze Album von Tony Hoffer (Air, Beck, Phoenix) produziert wurde. Und auch wenn Travis nicht für übermäßige Aggressivität bekannt sind, formulieren sie in "Gaslight" einen weiteren recht wenig subtilen Ausdruck ihrer Gefühle über Lügen und Manipulation: "Ask me why I look so blue / You tell me there could be a screw / Loose in here, you're losing here / The spell is broken." Getarnt als beschwingter Singalong mit Barpiano und Trompete. "Naked in New York City" hat hingegen erst mal nur sanftes Gitarrenstrumming und Hintergrundgeräusche, die von Ohr zu Ohr wandern. Später kommen noch Klavier und Bass dazu, aber wäre da nicht Healys helle Stimme, es könnte auch ein Eels-Song sein, wenn zwischendurch tiefer gesprochen wird.

Neben den offensichtlichen amerikanischen Einflüssen erinnert sich die Single "Bus" an Glasgow und spielt mit zwei Gitarrenmelodien und Streichern mit der Melancholie vor der Weltkarriere der vier Briten. Und "The river" gönnt sich einen Moment wie schon "Reminder" auf dem 2013er "Where you stand" und spricht quasi direkt in Tipps und Empfehlungen zu Healys Sohn. Diesmal allerdings weniger intim, sondern so groß zelebrierend, als wollte man mit hektischer Gitarre ins Vorprogramm von Mumford & Sons stampfen. Ob das nun alles so viel persönlicher klingt als die neun Alben und anderen Releases davor, sei mal dahingestellt. Vor allem hinsichtlich des einzigen Ausfalls auf "L.A. Times": Im Titelsong rappt Healy nicht nur (!), er reimt tatsächlich sündhaft "house" auf "mouse" (!!) und verliert sich in einem oberflächlichen Rant über die krassen Gegensätze der widersprüchlichen Stadt. Das klingt dann zwar erwachsen, aber in der Form, wie einem ein Vater peinlich sein kann. Ein Glück kann man den Song getrost ignorieren, wie eigentlich auch die eingehende Aussage über den inhaltlichen Kurs des Albums. Der Rest ist nämlich gewohnt großartig und rundet in einer guten halben Stunde 30 gemeinsame Jahre von vier der Großen der britischen Musik lässig ab. Da darf das auch mal passieren.

(Arne Lehrke)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Bus
  • Live it all again
  • Gaslight
  • I hope that you spontaneously combust

Tracklist

  1. Bus
  2. Raze the bar
  3. Live it all again
  4. Gaslight
  5. Alive
  6. Home
  7. I hope that you spontaneously combust
  8. Naked in New York City
  9. The river
  10. LA Times
Gesamtspielzeit: 32:19 min

Im Forum kommentieren

The MACHINA of God

2024-12-31 00:25:23

Die 2. Hälfte ist echt richtig gut. So ab dem tollen "Home". "Naked in NYC" ist auch richtig schön, "River" ebenso und der Closer hat auch was. Erste Hälfte gibt mir nicht soooo viel.

The MACHINA of God

2024-08-22 14:34:53

Ach ja, hab irgendwie meinen Frieden geschlossen. Meisterwerke erwarte von der Band sowieso keine, aber sie haben zumindest wieder ein süßes, kleines Album abgeliefert. Und "Home" macht mir immer noch instant gute Laune.

MickHead

2024-08-20 18:59:47

Offizielles Video zu "Alive"

https://youtu.be/K4Xz6TgpX4o?si=u69_hOR7ehLV94Xs

jo

2024-08-03 14:27:52

Echt? Ne, ich mag die erste Hälfte weiterhin mehr, auch wenn mir die zweite jetzt nicht groß weniger poppig vorkommt.

Aber "Home" und "The River" weiterhin schön.

The MACHINA of God

2024-08-03 13:12:25

Ich mag die zweite Hälfte mehr, speziell "Home", "Naked" und "The river". Und auch der Titeltrack hat mich inzwischen. Die recht poppige erste Hälfte fällt da etwas ab. Könnte mir als Gesamtalbum ein Stück besser als beide Vorgänger gefallen, acuh wenn deren Highlights mir vielleicht besser gefallen. 6,8/10

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