Paul McCartney & Wings - One hand clapping

Universal
VÖ: 14.06.2024
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Applaus, Applaus

Fünf Jahre und ein Ende der größten Musikgruppe aller Zeiten, nachdem The Beatles sich für die Get-Back-Sessions hatten im Studio filmen lassen, lud Paul McCartney im Sommer 1974 den Regisseur David Litchfield in die Abbey Studios ein. "Band on the run", das dritte Album von Wings stand seit sieben Wochen auf Platz 1 der britischen Charts und die neben dem Ehepaar McCartney und Denny Laine frisch um Gitarrist Jimmy McCulloch und Drummer Geoff Britton ergänzte Band sollte für ein TV-Special einige Songs live im Studio spielen. Aus der Veröffentlichung des Filmmaterials wurde seinerzeit aus vielerlei Gründen nichts, und Mitschnitte der Sessions sollten lange zu den begehrtesten Bootlegs überhaupt zählen. Nachdem einzelne Tracks in den letzten Jahren auf diversen Reissues aufgetaucht waren, folgt ein halbes Jahrhundert nach den Aufnahmen nun erstmals eine offizielle Veröffentlichung in Albumlänge.

In einer Zeit, da gefühlt jede in irgendwelchen Archiven schlummernde, einst mit dem heimischen Kassettenrekorder aufgenommene, verrauschte Demo-Schrammelei musikalischer Legenden noch einer kommerziellen Veröffentlichung zugeführt wird, muss wohl betont werden, dass "One hand clapping" bei weitem nicht nur eine für McCartney-Komplettisten interessante Obskurität darstellt. Vielmehr gibt es bei brillantem Klang eine vor Spielfreude und Energie überschäumende, vielseitige Band zu hören und vielleicht erst zu entdecken, deren Reputation in der allgemeinen Wahrnehmung oft unter dem unfairen Vergleich mit The Beatles gelitten hatte. Auf den instrumentalen Titel-Blues folgt mit dem rockenden "Jet" mit seinen hier sehr prominenten Synthie-Akzenten das erste von vier Stücken aus dem seinerzeit aktuellen Hitalbum "Band on the run". Von diesen sticht besonders das atemberaubend grandiose "Nineteen hundred and eighty-five" mit funky Klavier und explosivem Finale samt jaulender Gitarre und Orchester hervor.

Auch einige der Stücke aus der von Kritikerseite oft und teils zurecht geschmähten Frühphase von Wings finden Berücksichtigung. Der schlüpfrige Glamrock von "Hi hi hi" macht jedoch unverschämt viel Spaß, und der im Vergleich zur Studioversion leicht reduzierte Pomp der Ballade "My love" lässt die Ode an Linda weniger schwülstig wirken als das Original. Keinen Schwulst, sondern McCartneys vielleicht härtesten Rocker diesseits von "Helter Skelter", bietet "Soily", das hier nach verschwitztem, kleinem Clubkonzert klingt und damit mehr unmittelbaren Punch besitzt als die bisher bereits vom Live-Album "Wings over America" bekannte Stadionrock-Version. Auch der Bond-Soundtrack-Song "Live and let die" klang vielleicht noch nie so gut wie hier, wo die rohe Energie einer Live-Performance auf ein fantastisch abgemischtes, entfesselt aufspielendes, echtes Orchester trifft. Am Ende knurrt, ja knurrt, McCartney vor Ekstase, und im Hintergrund ist ein deutlich untertriebenes "good one" zu hören. Fantastic one!

Auch jenseits der Hits und bekannteren Stücke von Wings gibt es so manches Schmankerl. Innerhalb von gerade einmal drei Minuten klimpert sich McCartney solo durch "Let it be" und unterbricht "Long and winding road" abrupt für einen kurzen Abstecher zu "Lady Madonna", und es ist erfrischend, wenn vielleicht auch etwas frustrierend, mit welcher Beiläufigkeit diese heute so sakrosankten Beatles-Klassiker hier behandelt werden. Auch Denny Laine trägt mit "Go now" eine schöne Version eines Hits seiner früheren Band The Moody Blues bei. "Babyface" ist eine sehr amüsant altmodischer Ragtime, der Countryklassiker "Blue moon of Kentucky" kommt mit ansteckendem Drive daher, und die Jazz-Pianoballade "Let's love" hätte auch viele Jahrzehnte später noch auf "Kisses on the bottom" gute Figur gemacht. Der Applaus, der Paul McCartney & Wings als wunderbar harmonierender, gut aufgelegter Live-Band für diese anderthalb Stunden gebührt, ist auf jeden Fall ausdauernd und unbedingt beidhändig.

(Michael Albl)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Soily
  • Live and let die
  • Nineteen hundred and eighty-five

Tracklist

  1. One hand clapping
  2. Jet
  3. Soily
  4. C Moon/Little woman love
  5. Maybe I'm amazed
  6. My love
  7. Bluebird
  8. Let's love
  9. All of you
  10. I'll give you a ring
  11. Band on the run
  12. Live and let die
  13. Nineteen hundred and eighty-five
  14. Baby face
  15. Let me roll it
  16. Blue moon of Kentucky
  17. Power cut
  18. Love my baby
  19. Let it be
  20. The long and winding road/Lady Madonna
  21. Junior's Farm
  22. Sally G
  23. Tomorrow
  24. Go now
  25. Wild life
  26. Hi, hi, hi
Gesamtspielzeit: 84:03 min

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Loketrourak

2024-07-10 12:35:49

Ich war als Heranwachsender tatsächlich Wingsfan (weil Beatlesfan) und bin in der Gretchenfrage immer Team McCartney gewesen. Nach McCartney 2 (cooles Album, keine Frage) war bis Chaos & Creation .. erstmal Schluss. Der Zeitgeist hatte sich gänzlich gewandelt und spannende Musik war woanders zu finden. In den letzten Jahren und mit ein bisschen Altersmilde kann ich das alles wieder gut finden.

Ich glaube, ich habe Lust auf das Album.

Armin

2024-07-07 18:29:51- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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