K.I.Z. - Görlitzer Park

Eklat / Warner
VÖ: 21.06.2024
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Kreuzberger Plätze

Normal, dass sich Rapperinnen und Rapper oder andere Acts im Laufe der Jahre abnutzen. Trotzdem fühlt sich ein richtig gelungenes Album von K.I.Z. auffällig lang her an. Es hatte sich irgendwie "ausgefickt", wie in der damaligen Rezension zu "Rap über Hass" so schön treffend formuliert. Egal, sie können es doch noch, denn "Görlitzer Park" wirkt inhaltlich wie eines ihrer älteren Alben, spielt mit dieser Nostalgie auch bewusst und nimmt uns mit in Berliner Jugendtage. Immer wieder geht es um Kreuzberg, eingeschlagene Nasen und dieses Gefühl von best of both Worlds, zwischen den Anfangsjahren von Berliner Street-Rap und linker Szene. Genau das war es ja eigentlich, was den letzten Veröffentlichungen etwas fehlte und dieses siebte Studioalbum greifbar macht. Es ist die erste biografisch geprägte K.I.Z.-Platte überhaupt, die politischste seit "Sexismus gegen Rechts" und, nach "Hurra die Welt geht unter", endlich mal wieder ein rundes wie durchdachtes Konzeptalbum.

"Vierspur" setzt die Grundstimmung am elegantesten um, es erzählt detailreich von Aufnahme-Sessions im Kinderzimmer und Kreuzberger Nächten allgemein. "Hallesches, nachts, mitten in der Hood / Sie hab'n uns umzingelt, sind zu zehnt aus dem Gebüsch gekomm'n / Sie woll'n die Handys, seh'n die Portemonnaies, doch wir sind übelst broke / Und dürfen geh'n, denn bei uns gibt es nix zu hol'n", ähnliche Szenen tauchen im Laufe der Platte zahllos auf. Beim genialen "Berlin wird Dich töten" ist diese übergriffige Normalität das Hauptthema, ebenso bietet die Stadt aber auch gebrochene Träume angehender Medienpersönlichkeiten, beschissene und viel zu lange Partys sowie diese mal ruppige, mal widerlich neoliberale Arbeitsmentalität. Während Depressionen hier noch eher im Sub-Text den Ton angeben, versauen sie den "Sommer meines Lebens" aber mal so richtig. Der Song selbst ist natürlich großartig, für depressive Menschen stecken darin so einige bekannte Gefühle, genauso wie in "Lächel doch mal". Und als ob das nicht schon aufwühlend genug wäre, finden K.I.Z. auch noch zu ihrer alten, größten Stärke zurück, nämlich das politische Zeitgeschehen mal albern, mal zynisch oder diesmal auch öfter ernst zu kommentieren.

Die Lead-Single "Frieden" ist ein Meilenstein dieser Platte, streitbar wie treffend. Falls es irgendwer vergessen haben sollte, die waren nie einfach nur links, sondern schon immer durch und durch rot. Solche mit "Mixed Feelings für die NATO" oder Kiffen vor der Musterung. So zumindest in Maxims Part, darauf entgegnet Feldwebel Tarek nur: "Jan ist Patriot und Fabian ist woke / Ist egal, denn hier im Schützengraben sind wir alle Bros, ey" und dass wir natürlich alle Frieden wollen, vorher aber halt gewinnen müssen. Oder wie Nico es sagt: "Drück endlich den Abzug, Mann, wir haben keine Wahl / Oder sind Dir Menschenrechte scheißegal?", und diese Art von Zuspitzung ist bei K.I.Z. zwar alles andere als neu, findet hier jedoch zu alter Würde zurück. Das bestätigen auch die Tracks "Sensibel" oder "Geld wie ein Magnet".

Da diese Platte inhaltlich so viel hergibt, geht es fast etwas unter, dass es sich hierbei auch rein musikalisch um die beste K.I.Z.-Veröffentlichung seit dem Abgang von DJ Craft handelt. Ihr Sound ist mal brachial, mal futuristisch, aber bei jedem Track wie zugeschnitten auf die Lyrics. Ob beim Comedy-Aspekt von "Applaus" oder der malerischen Nostalgie von "2001", die instrumentale Arbeit von Drunken Masters passte selten zuvor so angenehm zum Berliner Trio. Auch die ebenfalls beteiligten Bazzanian und Paul Mond sind herauszuhören, dafür gibt es keine Features, was dem Konzept des Albums jedoch nur gerecht wird. Es ist eine Liebeserklärung an Kreuzberg, voller Menschenhass, Weltschmerz und Sehnsucht. Also genau die Gefühle, welche bei einem Spaziergang vom Mehringplatz zum Kotti eh ständige Begleiter sind.

(Maximilian Baran)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Sommer meines Lebens
  • Vierspur
  • Frieden
  • Berlin wird dich töten

Tracklist

  1. Görlitzer Park
  2. Sommer meines Lebens
  3. 2001
  4. Samstag ist Krieg
  5. Vierspur
  6. Frieden
  7. Berlin wird dich töten
  8. Sensibel
  9. Applaus
  10. Geld wie ein Magnet Intro
  11. Geld wie ein Magnet
  12. Lächel doch mal
  13. Jahrmarkt
  14. Die Party ist vorbei
  15. Grabstein
  16. Gewinner
Gesamtspielzeit: 52:55 min

Im Forum kommentieren

ichreitepferd

2024-06-28 14:58:46

Hahnenkampf > Sexismus gegen Rechts = Böhse Enkelz > Urlaub fürs Gehirn = Rapdeutschlandkettenmassaker > Hurra die Welt geht unter = Görlitzer Park > Ganz Oben = Rap über Hass

All Crips are Bloods

2024-06-28 13:25:23

Ist gut worden. Mag besonders "Applaus" sehr gerne. Wenn man bedenkt, dass ich 80% ihrer Songs immer Scheisse fand (ein paar Gute gab es schon immer), ist die Trefferquote hier recht hoch. Ich glaube aber, dass die zum Teil sehr hohen Bewertungen darin begründet sind, dass es sich um ein KIZ-Album handelt, dass man tatsächlich mal ernst nehmen kann.

joseon

2024-06-28 12:20:53

Guter Titeltrack, der Rest überwiegend egal, aber wahrscheinlich verstehe ich die krasse Metaebene wieder nicht. Richtig schlimm ist aber das Album zum Album.

Socko

2024-06-28 11:56:00

Die haben durchaus meinen Respekt, feine Texte. Aber wer hört sich 2024 noch so einen Stuss an? Also, mal abgesehen von den Lyrics?

lars.fm

2024-06-28 11:01:14

Nach den ersten 1-2 Durchspielern gefühlt eine wirklich starke Veröffentlichung, auch mit dem "Album zum Album", da sind einige Volltreffer dabei.

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