Vince Staples - Dark times
Def Jam / UniversalVÖ: 24.05.2024
Machiawellness
Wenn Karrieren wie die von Vince Staples beginnen, gibt es eigentlich nur zwei Optionen: Entweder der Künstler durchschreitet stoisch, aber erfolgreich das erste große Tal oder stürzt komplett in die Bedeutungslosigkeit ab. Staples' Debüt "Summertime '06" ist für ihn Fluch und Segen. Es hievte ihn binnen kürzester Zeit ins Visier der Rapwelt. Es holte die Leute ab, fing wahrscheinlich sogar ein bisschen diesen sagenumwobenen Zeitgeist ein, den es im Gruselkabinett ausgehöhlter Begriffe zu bestaunen gibt. Er hätte es sich danach bequem machen können. Features abstauben, Awards kassieren, vielleicht sogar irgendeinen Merchandise-Schrott unters Volk bringen. Doch Staples entschied sich gegen die totale Selbstvermarktung und produzierte erstmal Kunst. So manches seiner Werke ließ sich dann auch eher in die Kategorie "würde gerne, aber kann nicht ganz" einordnen. Mit "Dark times" findet er im Jahr 2024 zurück in die Spur. Nicht mit einem Knall, sondern mit Understatement. Staples muss nicht unbedingt, aber er kann.
Die Grundstimmung des Albums ist, wie es der Titel nahelegt, meist nachdenklich und stellenweise zappenduster. Der Blick richtet sich nach innen, der Markt für Battles ist derzeit ohnehin gesättigt. "Dark times" soll auch der letzte Release für Def Jam sein. Kreise schließen sich. Musikalisch orientiert sich Staples wieder mehr an seinen musikalischen Wurzeln. Samples aus Soul und Funk treffen auf geschmackvoll zerhackte Beats, die in der Regel mit mindestens einer richtig fiesen Hook ausgestattet sind. Musterbeispiel hierfür ist "Étoufée", das sich am New-Orleans-Sound anlehnt und auch der dortigen Szene Respekt zollt. Zu einem unerbittlich rollenden Groove breitet der Rapper seine lakonischen Verse aus, ehe er im Vorbeigehen einen der Refrains des Jahres droppt. Passiert ihm einfach, wie Tomaten. Auch der abstrakte Funk von "Little homies" vereint Lässigkeit mit melodiösem Fingerspitzengefühl. Kleine Synth-Licks verleihen dem Track eine angenehme Merkwürdigkeit. Sollen doch die anderen mit Glitzer um sich schmeißen, Vince zündet lieber Knaller.
Die Mehrheit der Tracks auf "Dark times" bewegt sich im Midtempo-Bereich, was beim ersten Hören zunächst gleichförmig wirkt, sich bei längerer Auseinandersetzung aber als gezielt eingesetztes Stilmittel entpuppt. Staples muss nicht mehr schocken, er verlegt sich lieber aufs Erzählen. Dabei bleiben die Texte so herrlich clever und anspielungsreich wie eh und je, ohne in die Schneller-höher-weiter-Falle zu tapsen. Besonders das gallige "Black & blue" ist diesbezüglich hervorzuheben, hier rechnet der MC in prägnanten Versen mit der Walmartisierung der Gangkultur ab. Es gibt keine Helden, nur Actionfiguren und schmutzige Wäsche. In persönlichen Momenten zeigt sich der Rapper hingegen verletzlich, ohne ins Weinerliche zu verfallen. Stattdessen räsoniert er mit kaum verhohlenem Zynismus über die allzu begrenzten Möglichkeiten des Zwischenmenschlichen. Doch da ist noch eine andere Stimme und sie will einfach nicht die Klappe halten. Immer weiter quatscht sie Staples die Ohren voll. Er möge doch bitte aufhören, so komische Musik zu machen. Er solle sich wieder mehr am Zeitgeist orientieren. Oder ihn vielleicht sogar wieder prägen. Weil er mit seinem Talent ja zu Höherem bestimmt sei. Einen Scheiß ist er.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Black & blue
- Étouffée
- Little homies
Tracklist
- Close your eyes and swing
- Black & blue
- Government cheese
- Children's song
- Shame on the devil
- Étouffée
- Liars
- Justin
- Radio
- Nothing matters
- Little homies
- Freeman
- Why won't the sun come out?
Im Forum kommentieren
boneless
2024-08-05 19:20:47
Ich muss ja zugeben, dass ich den Start ins Album (Black, Government und Children) nur so halbwegs gut finde, danach aber wird die Platte immer besser und entwickelt einen Flow, der schlicht geil ist. Vor allem die B-Seite ist der Hammer.
It's the power of the human brain, we trapped in our dreams
I understand I'm just a grain of sand and life is a beach
Only Heaven knows whichever way I blow in the breeze
I'll be a fool to think it's left up to me
But I appreciate the love, loved one, still young
The MACHINA of God
2024-06-16 20:37:33
"Black&Blue" bisschen mein Sommerhit dieses Jahr.
joseon
2024-06-06 15:27:45
Als Zugabe "Norf Norf" und danach "Big Fish".
The MACHINA of God
2024-06-06 14:26:30
Schöne Rezension.
@joseon:
Welcher Song kam von "summertime"?
joseon
2024-06-05 23:14:13
Komme gerade sehr glücklich vom Konzert. Stimmig-minimalistische Show und Vince hat souverän rasiert. Einziger Wermutstropfen: Je nur ein Song von "Summertime ’06" und "Big Fish Theory".
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