Rhapsody Of Fire - Challenge the wind

AFM
VÖ: 31.05.2024
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Sturm ohne Schnörkel

Mit dem Titel ihres neuesten Werkes haben sich Rhapsody Of Fire keinen Gefallen getan. Übelmeinende Rezensenten könnten sich zu kalauernden Kommentaren wie "laues Lüftchen" oder "in den Wind geschrieben" hinreißen lassen. Zum Glück nimmt die Band solchen Bemerkungen aber schon im Ansatz den Wind aus den Segeln (badum tss), denn ihr 14. Studioalbum zeigt das italienische Fünfergespann auf der Höhe seines Könnens. Das mag obligatorisch zwar manch grundsätzlichen Verächter auf den Plan rufen und bietet für altgediente Anhänger vielleicht nicht die allergrößte Überraschung, dürfte Genre- und vor allem neuere Band-Fans aber zufriedenstellen.

Mit "Challenge the wind" entfachen Rhapsody Of Fire nämlich einen Sturm aus Spielfreude und allerhand zündenden Ideen, wobei sie es vermeiden, im Genrevergleich allzu altbekannt, abgedroschen oder übertrieben rüberzukommen. Insofern scheinen der Truppe aus Triest die zahlreichen Besetzungswechsel in den über 30 Jahren ihres Bestehens gutgetan zu haben. Eine Renaissance des symphonischen Power Metal wird auch dieses Album freilich nicht einläuten. Und ob es mit den als Großtaten des Genres geltenden Werken, die die Band um die Jahrtausendwende veröffentlicht hat, mithalten kann, wird sich erst noch herausstellen. Aber Freunde dieser Stilrichtung, die von der Masse der Interpreten viel zu oft mit so einfalls- wie belanglosen Ergüssen abgespeist werden, sollten es nicht bereuen, diesem Album ihre Zeit zu widmen.

Und sei es auch erst einmal nur dem 16-minütigen Schwergewicht "Vanquished by shadows", das ein exzellenter Gefallens-Gradmesser für die gesamte Platte ist. Schön düster, dabei aber melodisch-eingängig und im zweiten Teil mit einem wunderbaren Refrain auftrumpfend, der zudem die finstere Atmosphäre des Tracks angenehm kontrastiert und erfreulicherweise auch am Ende des Albums mit dem entsprechend fabelhaften "Mastered by the dark" nochmal aufgegriffen wird. Hätte die Band den Refrain oder zumindest seine Melodie als häufiger wiederkehrendes Thema in das gesamte Werk eingebaut, wäre vielleicht sogar eine höhere Wertung drin gewesen. Eine verpasste Chance. Aber die Zeilen "And we sing the rime of the unfortunate / As we know the legend goes on / Sing along the rime of the miserable / As we know we have tried for so long" laden auch so zum munteren Mitsingen sein.

Auffällig und ausdrücklich zu begrüßen ist, dass Rhapsody, die den Zusatz "Of Fire" erst seit dem 2011 einvernehmlich vollzogenen Split mit Gründer Luca Turilli tragen, heuer ohne viel Firlefanz auskommen. So gibt es zum Beispiel keine nichtssagenden Zwischenspiele und keine bedeutungsschwanger gesprochene oder mit pompösen Tönen den Geduldsfaden strapazierende Einleitung, sondern mit dem eröffnenden Titeltrack gleich volle Pulle Power Metal. Der Song fällt angenehm rasant, geradezu windgepeitscht aus und erinnert nicht nur gesanglich an die Genreveteranen Virgin Steele. Das anschließende, zunächst ebenfalls ziemlich stürmische "Whispers of doom" zeigt dann anhand seiner überraschenden und effektiven Tempowechsel ein Merkmal, das das Album generell auszeichnet, bei furiosen Songs wie "Diamond claws" aber besonders gut zur Geltung kommt.

Wegen seiner Platzierung direkt nach dem Epos "Vanquished by shadows" beinah nur ein heimliches Highlight ist "Kreel's magic staff". Wer Kreel ist, wissen vermutlich nur diejenigen, die die mit diesem Album abgeschlossene Nephilim-Saga seit ihrem Beginn mit dem 2019 erschienenen "The eighth mountain" im Detail verfolgt haben. Aber jedem, der es möchte, sei das Glück vergönnt, Kreels magischen Stab in seine Gehörgänge einzuführen – was nicht schwierig ist, da der Song auf einschlägigen Plattformen als Single zur Verfügung steht. Damit sind gerade auch Blind-Guardian-Fans ansgeprochen, die angesichts der hier gebotenen ähnlich anmutenden Opulenz besonders weit die Lauscher aufsperren sollten. Zumal abschreckend kitschiger Schwulst hier schon durch den recht ungewöhnlichen Härtegrad und den Verzicht auf Balladen gottlob durch Abwesenheit glänzt, was auch dem seit 2016 am Mikrofon stehenden Giacomo Vol zuzurechnen ist, der im Vergleich mit dem verdienstvollen Fabio Lione ein weniger theatralisches Timbre aufweist. Natürlich, es ist und bleibt betont episch-orchestraler Bombast-Metal. Da gibt's kein Drumherumreden. Aber der ist für seine Verhältnisse eben auch durchaus geschmackvoll möglich, was unter anderem der Song "A brave new hope" beweist, welcher den Rhapsody schlechterer Tage oder stümperhaften Genrevertretern womöglich leicht ins Uferlose entglitten wäre. Und das verdeutlicht den vielleicht größten Pluspunkt der Platte (und den neben der Qualität wohl ausschlaggebenden Grund, warum die Band hier erstmals rezensiert wird): Dass sie zwar fest im symphonischen Power Metal verankert ist, aber auch für Anhänger artverwandter Bands großes Attraktionspotenzial aufweist. Manowar und Konsorten werden hier jedenfalls auf Abstand gehalten.

(André Schuder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Challenge the wind
  • Vanquished by shadows
  • Kreel's magic staff
  • Mastered by the dark

Tracklist

  1. Challenge the wind
  2. Whispers of doom
  3. The bloody pariah
  4. Vanquished by shadows
  5. Kreel's magic staff
  6. Diamond claws
  7. Black wizard
  8. A brave new hope
  9. Holy downfall
  10. Mastered by the dark
Gesamtspielzeit: 63:30 min

Im Forum kommentieren

Eiersalat

2024-05-29 21:46:48

Meddl

Armin

2024-05-29 21:20:50- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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