Lazar - Stop dancing it won't pass

Poly Unique
VÖ: 11.04.2024
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

In Stahlgewittern

Wer bei Plattentests.de als Schreibkraft arbeitet, der sieht sich einem beeindruckend reißenden Zustrom an Neuheiten ausgesetzt, die es unentwegt zu katalogisieren, wohlwollend und kritisch zugleich probezuhören, auszusortieren und/oder zu bewerten gilt. Man muss da sehr aufpassen, sich keine Hornhaut auf dem Trommelfell oder dem Neocortex wachsen zu lassen, denn erfahrungsgemäß gibt es Genres und Konstellationen, die überdurchschnittlich oft zum Ausschluss führen. Zum Beispiel dieses: instrumenteller Postrock. Wer ein ganzes Album ohne Gesang und unterstützende Lyrics in den Rezensionsparcours schickt, der muss entweder verzweifelt oder größenwahnsinnig sein – oder zumindest sehr vom eigenen Schaffen überzeugt.

Nun also vier Herren aus Hamburg, die mit "komplexen Strukturen, verzerrten Riffs und noisigen Wall of Sounds" werben. Auch das bekommt man bekanntlich häufiger serviert, und oft schmeckt's nicht. Erst auf den zweiten Blick wird der Rezensent der Tatsache gewahr, dass man sich für die Produktion des Albums das ausnehmend gut beleumundete Studio "Die Tonmeisterei" aus Oldenburg auserkoren hat – und schon wird man neugierig, denn: Die Oldenburger machen keine Gefangenen. Tonträger, die dieses Studio verlassen, haben vielen anderen schon mal eines voraus: einen transparenten, druckvollen, dynamischen Sound, bei dem analoges Equipment, insbesondere Röhrenverstärker, in jeder Produktionsphase tragende Rollen spielt.

Und so ist es auch bei "Stop dancing, it won't pass". Was die vier Hamburger hier abfeuern, ist ein lustvolles Stahlbad aus glühend heißen Stoner-Riffs, mit Lineal und Wasserwaage hochgezogenen Fuzzgitarren-Klangwänden und (glücklicherweise) homöopathischen Dosen von Progrock. Das alles machen viele Bands – und bei den meisten langweilt es spätestens beim dritten Stück. Lazar gelingt es hingegen meisterlich, das Genre bis ins letzte Detail auszubuchstabieren, was zu einem guten Teil der exzellenten, wütenden, aber auch präzisen Arbeit von Drummer Yannick (Nachname nicht überliefert) zu verdanken ist. Man höre vielleicht zuerst mal das famose "Tervueren". Hier sitzt jeder Schlag, egal ob es mit brutalstmöglicher Kraft nach vorne geht oder ob die immer wieder eingestreuten elegischen Passagen girlandenartig mit akzentuierten Hi-Hat- und Tom-Figuren umrankt werden. Auf dieser sicheren Basis schichten Bassist Hannes und die beiden Gitarristen Lukas und Matti eine um die andere Schicht aus stumpfen, aber sehr geilen Schwermetall-Riffs mit janusköpfigen Akkordfolgen; die überwiegend in getragenem Tempo dargebotenen Stücke föhnen dem Zuhörer mit Schmackes und Wonne jedwedes unnötige Gedankengerümpel aus dem Hirn.

Und dann ist da ja noch diese wunderbare, qualitativ weitaus überdurchschnittliche Produktion. Wer die Gelegenheit hat, der sollte das Lazar-Album auf einer möglichst guten Stereoanlage hören. Nicht nur deshalb, weil's dann erst optimal kachelt, weil der Bass dann richtig in die Magengrube fährt und der Gitarren-Crunch einem das Haupthaar neu legt. Nein, auch das raffinierte Spiel mit verschiedenen Klang-Ebenen kann man dann erst richtig genießen: So wandert das Schlagzeug bei ruhigeren Passagen gerne mal richtig tief und dreidimensional in den Hintergrund (so, als ob irgendjemand eine Wand weggesprengt hat und der Hörraum sich nach hinten öffnet), auch die ganz unterschiedlichen Verzerrungsgrade und Klirrgeräusche der reichlich eingesetzten Röhrenverstärker fächern sich nachgerade wie ein Panoptikum vor einem auf. 47 Minuten komplette Breitseite!

(Jochen Reinecke)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Tervuren
  • Willemeit
  • Vage

Tracklist

  1. Malinois
  2. Beauceron
  3. Vage
  4. Willemeit
  5. Led astray
  6. Tervueren
  7. Marla
  8. Misconception
Gesamtspielzeit: 47:18 min

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Armin

2024-05-21 18:48:45- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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