Aaron West & The Roaring Twenties - In lieu of flowers

Hopeless / Soulfood
VÖ: 12.04.2024
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Erzähl mir was

Künstlerische Selbsterfüllung unterliegt im Musikbusiness häufig der Klinge eines zweischneidiges Schwertes. Wer jene Seiten "Machen, was man liebt" und "Machen, was Geld bringt" vereint, lebt im glücklichen Kreise derjenigen Musiker*innen, die sich nicht sorgen müssen, ob eine Idee wohl Ertrag bringt. Aaron West & The Roaring Twenties sind Idee, Saga und Band zugleich – und zwar in eingangs beschriebenem Sinne. Projektleiter ist Dan Campbell, hauptberuflich Kopf von und Sänger von The Wonder Years. Und mit dem Kapitän im emotional aufgeladenen Boot sitzt eine 15-köpfige (!), multiinstrumentell aufgestellte Truppe, die in dieser üppigen Besetzung am liebsten gemeinsam tourt. Stellen wir uns durchaus stressig vor. Doch der Reihe nach.

Aaron West heißt der fiktive Haupt-Charakter der Geschichte und "In lieu of flowers" erzählt bereits das dritte Kapitel jener Saga, die – grob zusammengefasst – aus Wests bewegtem Leben erzählt. Es geht um Liebe, Scheidung, Tourleben, Suff und Drogen, aber auch um Freundschaft und Einsamkeit. Ein bisschen Rock'n'Roll-Klischee also durchaus. Aarons schmerzhafte Trennung umspannte das 2014er-Debüt "We don't have each other". "Routine maintenance" aus 2019 zeichnete Wests tiefen Fall nach sowie aufreibende, aber nicht erfolglose Versuche eines Neuanfangs, privat wie musikalisch, in Los Angeles. Die elf neuen Stücke auf "In lieu of flowers" setzen hier an, doch das Sichtfeld von Aaron weitet sich. Machmal gibt es Parallelen zur Realität, denn so wie es Campbell mit The Roaring Twenties auf der Tour 2022 erging, als etliche Musiker*innen sich das Coronavirus einfingen, muss auch West zähneknirschend seine Tour solo zuende performen. Dass ihn das trotz Tabak und Alkohol nervt, davon erzählen der Opener "Smoking rooms" sowie der kleine Theken-Hit "Alone at St. James". Aaron scheint nun bereit, seine Entscheidungen und Handlungen zu reflektieren. Im schönen Power-Popper "Monongahela Park" etwa trauert der Protagonist einer Frau nach, mit der alles super aufregend war, die er aber im letzten Moment vor den Kopf stieß.

Die Musik? Ist auf "In lieu of flowers" durchweg unterhaltsam und mitreißend. Sie besitzt durch enthusiastische Bläser, üppig arrangierte Streicher und einige im Folk beheimatete Instrumente wie dem Banjo mehr Facetten als Campbells Hauptband. Ist wegen der prominenten Akustischen manchmal nah bei Dashboard Confessional, aber im Songwriting wenig überraschend auch nicht weit weg von The Wonder Years. Warum auch, denn immer, wenn es hymnisch zugeht, wie in "Roman candles", oder im besonders kratzbürstig-ohrwurmigen Titelsong, lassen sich durch Campbells brüchige wie markante Stimme die Emotionen wunderbar transportieren.

Der Sänger gibt an, dass ihm Bands wie The Mountain Goats oder The Weakerthans eine faszinierende Vorlage für Aaron West & The Roaring Twenties waren und sind. Hin und wieder scheinen jene Einflüsse im Storytelling durch, gewiss nicht ganz in der meisterhaften Güte der Herren Darnielle und Samson. Musikalisch blitzen jene Referenzen vor allem dann auf, wenn Folk- und Country-Elemente prominent sind. Einfühlsam gelingt das im schönen "Paying bills at the end of the world" oder in der Ballade "I'm an albatross", hier besonders wegen des weiblichen Co-Gesangs. Am Ende macht künstlerische Selbsterfüllung in einer Band auch nur dann Freude, wenn das Band der Freundschaft stabil bleibt. Zumindest das wünscht sich West von ganzem Herzen, wenn er im Titelstück zu einer der wohl herzallerliebsten aller Bläser-Fanfaren ever, mit aller Inbrunst singt: "Hold on / I'll be there till the bitter end." Wenn Campbell es in Zukunft meistert, all diese Freundschaften seines Projekts zu pflegen, werden uns Aaron West & The Roaring Twenties vielleicht davon erzählen, wenn jenes Ende naht.

(Eric Meyer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Smoking rooms
  • Roman candles
  • Monongahela Park
  • In lieu of flowers

Tracklist

  1. Smoking rooms
  2. Roman candles
  3. Paying bills at the end of the worldMonongahela Park
  4. Alone at St. Luke's
  5. Whiplash
  6. Spitting in the wind
  7. I'm an albatross
  8. Running out of excuses
  9. In lieu of flowers
  10. Dead leaves
Gesamtspielzeit: 43:08 min

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Armin

2024-04-25 19:51:41- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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