James - Yummy

Virgin / Universal
VÖ: 12.04.2024
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Dieses Kribbeln im Bauch

Kulinarische Metaphern von der Prise Pop über den Schuss Jazz bis hin zum Urteil, dass das Ergebnis weder Fisch noch Fleisch sei, sind im vollverglasten Redaktionsgebäude von Plattentests.de maximalst verpönt und werden mit Entzug der täglichen Pilzrahmsuppenration für mindestens eine Woche bestraft. Bei einem Albumtitel wie "Yummy" ist eine solche Vorgabe natürlich äußerst bedauerlich, welch Glück also, dass das bereits 18. Studioalbum von James ansonsten überaus erfreulich ausfällt. Nach einer ersten von Madchester und Brit-Pop begünstigten Hochphase in den Neunzigerjahren mit den absoluten Klassikern "Sit down" und "Laid" haben James, von einer mehrjährigen Pause Anfang des neuen Jahrtausends abgesehen, nie aufgehört, in regelmäßigen Abständen mindestens ordentliche bis gute Alben abzuliefern. In ihrer britischen Heimat ist die Band dank ihrem ganz besonderen, ebenso vielschichtigen wie einnehmenden Stadion-Pop-Sound mit "Yummy" ganze 42 Jahre nach ihrer Gründung sogar erstmals an der Spitze der Charts angekommen – und das mit Recht.

Der mitreißende Opener "Is this love" ist herrlich üppig instrumentiert und überzeugt mit schwungvollen Streichern, Andy Diagrams euphorischer Trompete und Chloe Alpers Backgroundgesang. Mit ihr und Percussionistin Deborah Knox-Hewson ist die Band zum Nonett angewachsen und vor allem Alpers Vocals geben James' Sound eine zusätzliche Dimension, von der die Songs dieses Albums stark profitieren. Mit New-Order-Discobeat und schimmernden Synthieflächen von Mark Hunter zelebriert "Life's a fucking miracle" die menschliche Interaktion samt beiläufigem Inklusionsappell: "Celebrate she, he, we, they." Mehrere Stücke starten verhalten, aber öffnen sich im Laufe der Spielzeit mit einem Crescendo nicht nur der Lautstärke, sondern auch einem opulenten Arrangement und der transportierten Emotion. Ganz besonders schön gelingt dies in "Way over your head", das zunächst von Vereinzelung und Suchtproblemen berichtet, bevor sich der Song mit hymnischer Melodie und Chorgesang wie eine Schmusedecke um die Seele legt, das Herz erwärmt und ein angenehm euphorisches Kribbeln im Bauch entsteht. Noch epischer ist "Shadow of a giant", der längste Track des Albums. Aus einem atmosphärischen Intro mit Jon Hopkins am Klavier und Saul Davies' sehnsuchtsvollem Geigenspiel schält sich eine Ballade, die schließlich in einen triumphalen Quasi-Gospelchor mündet. Das ist dick aufgetragen, aber perfekt auf den Punkt und nie auch nur im Ansatz kitschig.

Auf "All the colours of you" arbeiteten sich Tim Booths Lyrics mehrfach am damaligen, orangefarbenen Präsidenten der USA ab. Politik- und gesellschaftskritische Themen sind auch diesmal prominent vertreten. So beschäftigt sich "Hey" mit der Popularität von Verschwörungserzählungen und "Mobile god" geht augenzwinkernd aus der Perspektive des Smartphones auf das Phänomen der Handysucht ein: "I'm the last thing you stroke in the evening before bed." Die Single "Our world" bezieht sich sehr direkt auf den Klimawandel, die ungebrochene Macht des Kapitalismus und anhaltende Frustration über die politische Führung, verpackt dies jedoch in einen fröhlichen Popsong mit gepfiffenem Intro und "La la la"-Teil im Outro. Dieser scheinbare Konflikt zwischen Form und Inhalt entpuppt sich bei all diesen Songs als ungeheuer wirkungsvoll. Der gitarrengetriebene Groove von "Rogue" erinnert an den Sound der Band in den Neunzigern und auch textlich betreibt der inzwischen 63-jährige Booth mit der ewig jungenhaften Stimme autobiografische Rückschau, betont aber, dass er künstlerisch lange noch nicht am Ende steht, denn: "Some of us still got work to do." Dennoch ist der Tod Thema des introspektiven Closers "Folks", der zu Trompete, Cello und erneut Alpers Harmoniegesang das Sterben als Teil des Lebens feiert: "I'm too old, too old to lie / See you on the other side / I won't cling on to this life." Bis es einmal so weit ist, dürfen uns James aber gerne noch öfter ein derart leckeres musikalisches Festmahl offerieren. Ups!

(Michael Albl)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Is this love
  • Shadow of a giant
  • Folks

Tracklist

  1. Is this love
  2. Life's a fucking miracle
  3. Better with you
  4. Stay
  5. Shadow of a giant
  6. Way over your head
  7. Mobile god
  8. Our world
  9. Rogue
  10. Hey
  11. Butterfly
  12. Folks
Gesamtspielzeit: 53:38 min

Im Forum kommentieren

Lichtgestalt

2024-09-27 21:14:52

Huch, immer noch? :O

MickHead

2024-09-27 19:49:03

Ganz aktuell:

"Pudding"

UK Physical Albums Chart #41
UK Vinyl Albums Chart #19
UK Record Store Chart #14
Scottish Albums Chart #31



n00k

2024-06-06 17:30:46

Also bei mir hat der vermeintliche Overkill hier dazu geführt, dass ich mich (endlich) einmal richtig mit James - über die Hits hinaus - beschäftigt habe. Von daher: Weitermachen, Lichtgestalt ;-)

Lichtgestalt

2024-06-06 15:23:03

Ne, ich habe doch schon wieder das Interesse verloren, Eierkopp. ;)

Insofern: Ist das eigentlich Demenz?

> Hat die Lichtgestalt wohl etwa schon
> wieder das Interesse verloren?

Eiersalat

2024-06-06 14:50:47

Ist das eigentlich ne Obsession?

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