Sorry3000 - Grüße von der Überholspur
Audiolith / Broken SilenceVÖ: 19.04.2024
Keine Ursache
"Einer ist immer der Loser", wusste einst Stephan Remmler. Auch wenn man heutzutage vermutlich eher Underachiever sagen würde. Wenigstens in dieser Hinsicht haben es Sorry3000 gut: Die können ihren selbstdiagnostizierten Loser-Pop inzwischen sogar zu fünft spielen, da Schlagzeuger Fenge nun fest zum Line-Up gehört, nachdem er auf dem Debüt "Wenn Overthinking Dich zerstört" noch lediglich als Sessionmusiker fungierte. Und was war das für ein Erstling: aufregende Abenteuer mit Rotzpopeln, Rebensaft, öffentlichem Nahverkehr und appen Tapeten zu quietschenden und fiependen Songs, die ihre Pappenheimer von Indie-Gaga bis Neue Deutsche Welle in- und auswendig kannten. Umso betrüblicher, dass die Hallenser um Hauptsängerin Stefanie Heartmann zum Nachfolger schon früh eine Tour unter dem Motto "Der Spaß ist zu Ende" ankündigten. Oder ist das diese Post-Ironie?
Jedenfalls nimmt es sich in seiner unbedarften Verplantheit ziemlich charmant aus, wie Heartmanns Gesangs-Sozius Frank Leiden in "Der kleine Zitronenbaum" das zarte Gewächs tröstend betüdelt. Wenn Dir das Leben Zitronen gibt, mach ein Lied draus. They don't want to sit on the lemon tree, wie man es in Schwaben mit einem radiotauglichen Pop-Evergreen auszudrücken pflegt – der Fünfer aus Sachsen-Anhalt hingegen antwortet mit diesem reizend naiven, wenn auch relativ einfach gestrickten Klopfer über das mit Nichtachtung gestrafte Pflänzchen, der sich in der Folge von reichlich Keyboard-Watte umwickeln lässt. Nicht der stärkste Moment von "Grüße von der Überholspur", aber auch nichts, wofür man sorry sagen müsste. Keine Ursache – zumal Heartmann im stachligen Opener "Entschuldigung" vom ständigen Um-Verzeihung-Bitten schon ganz genervt ist.
Und nicht nur davon. Was "Hinterm Kreisel" vor sich geht, kommentiert die Sängerin mit einer Mischung aus Süffisanz und mitleidiger Ablehnung: die Doppelhaushälfte als piefige Vorhölle, vollgestopft mit Couchlandschaften, vorbildlich erzogenen Vierbeinern und formvollendeter Kleinbürgerlichkeit. Bis ihr und der ganzen Band doch der Kragen platzt und alle zu einem kehligen "Ihr solltet Euch schämen!" ansetzen. Nein, sollten sie nicht. Zumindest Sorry3000 nicht für einen kleinlauten, aber standhaften Hit, bei dem Lebensentwürfe nicht mit Karacho, sondern mit subtiler Leichtigkeit aufeinanderprallen. Und es ist eine verblüffende Erkenntnis, dass diese aufrichtige, mild desillusionierte Hymne mit Wir-Sind-Helden-Familienanschluss und pointiertem Gitarrenlick mehr Eindruck macht als viele andere bewusste Desorientiertheiten auf diesem Album.
Dennoch hat es etwas reizend Uncooles,, wenn Heartmann bei "Ich will sparen" Lifestyle-Schnäppchen anhäuft und in "Nur im Spiel" ungerührt zur Soft-SM-Session lädt, bei der fein ziselierter Dream-Pop läuft. Kühles New-Wave-Flair verströmen "Ich muss mich noch anstrengen" und "Nachmacher", während Leiden mit Job und lästigem Doppelgänger hadert und im Freundeskreis private Schnappschüsse mit "Peter Maffay" herumzeigen muss, um sich halbwegs akzeptiert zu fühlen. Drummer Fenge hingegen will in den von ihm gesungenen Stücken nur möglichst weit weg von zu Hause und packt ein Reise-Etui voll Elektro-Funk ein. Moral: "Es ist alles nicht so schlimm", obwohl "Grüße von der Überholspur" zuweilen ähnlich latent ratlos stimmt, wie Sorry3000 auf dem Kampfstern Alltag agieren. Und für diese Augenhöhe hat sich das Ganze im Grunde schon gelohnt.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Hinterm Kreisel
- Ich muss mich noch anstrengen
- Nur im Spiel
Tracklist
- Entschuldigung
- Der kleine Zitronenbaum
- Ich will sparen
- Hinterm Kreisel
- Ich muss mich noch anstrengen
- Küste am Atlantik
- Peter Maffay
- Nur im Spiel
- Sonntagserschöpfung
- Nachmacher
- Es ist alles nicht so schlimm
Im Forum kommentieren
saihttam
2024-12-02 10:09:14
Weiß irgendwie nicht, wie ich die finden soll.
Armin
2024-04-17 20:10:01- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
Armin
2024-03-27 19:15:31- Newsbeitrag
"Der Spaß ist zu Ende - wo kriege ich Prozente?“ - SORRY3000 nehmen uns mit in die Welt der Investitionsentscheidungen und der Pfennigfuchserei. Heute erscheint mit "Ich will sparen" die nächste Single vom Album "Grüße von der Überholspur", das am 19.04.24 über Audiolith Records erscheint.
"Sparen", schon wieder so ein schambesetztes Thema - klar, dass Sorry3000 das irgendwann anpacken musste. "Ich will sparen" klingt mit den zackigen Beats und Barcode-Scanner-Synthies nach der fröhlichen Traurigkeit einer Baumarktreklame. Einfach super und am besten heute noch zuschlagen! Zum Song erscheint kein Musikvideo, das hat man sich einfach gespart.
Armin
2024-02-01 19:22:36- Newsbeitrag
Diese Band nimmt euch mit auf eine aufregende Reise in ihre durchschnittlichen Existenzen: Mit der neuen Single "Hinterm Kreisel" kündigen Sorry3000 heute ihr zweites Album "Grüße von der Überholspur" für den 19. April 2024 auf Audiolith Records an.
Sorry3000 nehmen euch mit in die Welt der Einfamilienhäuser. Die Vorzüge sind klar: Couchlandschaft, Border Collie, Carports, Kurven, Spielstraßen. Eigentlich alles da! Und trotzdem: Die notorische Rebellin Stefanie Heartmann will sich dagegen auflehnen. Gegen diese unflexiblen Vorstadtsspießer! Ob es klappt? Das erfahrt ihr im Song!
Sorry3000 - "Hinterm Kreisel" (Single, VÖ 01.02.24)
Musikvideo:
Loserpop für alle, die sich noch anstrengen müssen: Sorry3000 aus Halle (Saale) und Leipzig haben sich ein 2. Album aus den Rippen geleiert, „Grüße von der Überholspur“. Auf überdrehten Synthies und burnoutgefährdeten Gitarren nehmen Sorry3000 euch mit in die Leistungsgesellschaft und erzählen ihr ganz persönliches Verkacken. Runner‘s High, Einsamkeit, Euphorie und Existenzängste: Sorry3000s Realpop geht voll in den Schmerz. „Grüße von der Überholspur“ erscheint am 19.04. auf Vinyl, Kassette und digital bei Audiolith Records
Sorry3000 sehen sich als Schicksalsgemeinschaft. Die zähen Zehner-Jahre in den kalten Wohngemeinschaften von Halle/Saale haben sie gemeinsam überstanden, viele Peinlichkeiten final verdrängt (Auftritt in der Kunsthochschule) und alle Gruppendynamiken weggeatmet. Ihr Realpop nimmt nun die nächste Stufe. Sorry3000 hinterlassen der Nachwelt ein Album, dass die Grauen des Alltags, die ersten begrabenen Träume und die leisen Hoffnungen von fünf Durchschnittsleuten um die Dreißig in klebrige und scheppernde musikalische Verzweiflung transferiert hat! Sorry3000 sind jetzt auf der Überholspur, die Fahrt geht weiter.
Die beste Loserpop-Band Sachsen-Anhalts anlässlich des Release ihres neuen Albums drei Konzerte spielen. Entschuldigung, dass es nicht mehr sind.
Sorry3000 - "Der Spass ist zu Ende"-Tour 2024
präsentiert von ByteFM und Audiolith Booking
19.04.24 - Hamburg, Molotow
20.04.24 - Berlin, Badehaus
25.05.24 - Leipzig, Residenz Schauspiel
21.05.-02.06.24 - Mannheim, Maifeld Derby
Tickets: https://shrt.audiolith.net/r1ijz
myx
2024-01-31 22:03:20
Stimmt, sehr schön.
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Referenzen
Spotify
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