
Bodega - Our brand could be yr life
Chrysalis / Rough TradeVÖ: 12.04.2024
Pflicht und Auftrag
Plattentests.de ist da was ganz Heißem auf der Spur, und zwar einer offenbar groß angelegten Verschwörung: Denn wie es scheint, hat die New Yorker Indie-Polizei bei Bodega angeklopft und den ganzen Krawall des Quintetts beschlagnahmt! Anstelle des belastenden Materials von "Broken equipment", das Bodega als linksgrünversiffte Unruhestifter*innen enttarnte, haben die Uniformen bislang unbekannte Stephen-Malkmus-Demos im Proberaum platziert. Noch sind die Recherchen nicht abgeschlossen, auch der Sinn des Ganzen erschließt sich nicht wirklich. Vielleicht ist die Wahrheit auch ein wenig anders geartet? Case closed: Ben Hozie und Nikki Belfiglio, die treibenden Kräfte hinter den Art-Punks aus dem Big Apple, haben eine Zeitkapsel ausgegraben und sich über zehn Jahre alte Kompositionen ihres ersten gemeinsamen Projekts Bodega Bay vorgenommen, die sie nun als drittes Bodega-Album "Our brand could be yr life" neu auflegen. Wie sehr sie sich damals an den großen Helden des Neunziger-Indie- und College-Rocks orientiert haben, ist sympathisch und auch ein bisschen niedlich. 2024 und als etablierte Band lässt es sich zuvorderst als gelungene Hommage betrachten.
Dem Lobgesang auf Geldautomaten "ATM" oder "G.N.D. deity" hört man den Slogan-behafteten, frickeligen Post-Punk an, der später den Bodega-Signature-Sound darstellen sollte, auch wenn der hier noch sehr minimalistisch anmutet. Sonnig-verschlurfte Hymnen wie "Dedicated to the dedicated" hingehen fließen und treiben viel mehr, als dass sie zur Revolution anstacheln. In Bezug auf die Texte ist das anprangernde Du, das Bodega mit ihren Songs herausfordern, daher nun auch oftmals Privatperson und nicht bloß Teil des Apparats oder gesichtsloses Herdentier der Konsumgesellschaft. "And I don't know who I'll be / But I will sing my song / No matter what you think of me!" In der Alt- beziehungsweise Neuausrichtung des Bodega-Kollektivs darf nunmehr sogar, wie im herausragenden "Tarkovski", minutenlang Solo-Gitarre gegniedelt werden. Mascis, Malkmus, Moore – alles drin. "Major Amberson" setzt komplett auf wattigen Dreampop – mit ganz viel Betonung auf der letzten Silbe. Auch die Fingerübung "Protean" ist entschlackt von jeglichem störenden Ballast. "I had to change my direction" eben, wie Hozie es auf den Punkt bringt.
Ganz im Sinne des Albumtitels giftet die Band dann aber doch noch gegen ein ausgewähltes Konzept. Nämlich ihre eigene Corporate Identity als Dienstleister*innen in der Musikbranche, wie das mit cleverem Wortspiel betitelte "Bodega bait" auf wunderbarsten Thurston-Moore-Vocals persifliert: "We've got so many things to sell you, but there's no time left to sing along" – während sich die Hörer*innen noch über den "lifetime supply of DIY" freuen, bleibt der Spaß auf der Strecke. Im dreiteiligen "Cultural consumer", das von Part zu Part weiter anzieht, wird das Publikum schließlich vollständig als mitschuldig entlarvt, denn erst die Nachfrage bestimmt das Angebot und kreiert einen Markt, weiß man doch. Bodega tragen den Punk wieder mal zu Grabe, mit wehenden Fahnen und feierlichem Ernst. Mit "Our brand could be yr life" festigen sie ironischerweise dennoch ihr Standing als (system-)kritische und dabei hochunterhaltsame Störenfriede. Wie es ihre Pflicht und ihr Auftrag ist. "Good thing you're wearing ear plugs", lobt Hozie die Zuhörer*innen im elektrisch-folkigen "Webster Hall". Nachdrücklicher Appell sowie Service-Gedanke: Raus damit! Und sich stattdessen von dem umwerfenden Riff aus "Stain gaze" oder dem einnehmenden Closer "City is taken" gen (garantiert polizeifreiem) Indie-Himmel treiben lassen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Bodega bait
- Tarkovski
- Stain gaze
- City is taken
Tracklist
- Dedicated to the dedicated
- G.N.D. deity
- Bodega bait
- Tarkovski
- Major Amberson
- Stain gaze
- Webster Hall
- ATM
- Set the controls for the heart of the drum
- Protean
- Born into by what consumes
- Cultural consumer I
- Cultural consumer II
- Cultural consumer III
- City is taken
Im Forum kommentieren
Deaf
2024-10-11 00:31:46
@Kojiro
Hat sich das Konzert gelohnt?
Enrico Palazzo
2024-10-04 16:30:36
Brand on the run :D
MickHead
2024-10-04 15:20:04
The expanded edition of their acclaimed 2024 album, Our Brand Could Be Yr Life, features seven additional tracks, four of those previously unreleased including "Myrtle Parade", and further B-sides, with one of those, "Cultural Consumer IV", which is the final part in the Cultural Consumer tetralogy and a follow-up to "Cultural Consumer III".
Brand On The Run is set for release on 1 November via Chrysalis Records.
"Myrtle Parade"
https://youtu.be/J6DnyFQ0r5s?si=d_qV-ECuIdwZkO56
Kojiro
2024-04-23 18:40:21
Vinyl heute gekriegt. Schön. Freue mich auf Köln!
oldschool
2024-04-16 19:42:37
Das mit den Israelhasser ist Bullshit. Irgendeiner macht immer ein Fass auf um sich selbst zu inszenieren.
Album gefällt, auch wenn ich den Vorgänger lieber mochte
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Referenzen
Spotify
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