X Ambassadors - Townie
Virgin / UniversalVÖ: 05.04.2024
Smalltown-Brei
Mit so einer richtig fiesen Midlife-Crisis ist nicht zu spaßen, Freunde! Lebensentscheidungen werden in Frage gestellt, Jobs gewechselt, ganze Familien beim Gang zum Zigarettenautomaten spontan zurückgelassen. Während manche Männer zu pumpen beginnen, sich in Top-Form bringen wollen (man denke hier an Lester Burnham aus "American beauty") und ernsthaft Pläne schmieden, tiefgreifende Veränderungen für eine erfüllendere Zukunft vorzunehmen, werden andere wehleidig, passiv und sentimental. Sam Harris gehört zu diesen anderen. Für das vierte Album seiner Band X Ambassadors gräbt er tief in der eigenen Biografie, trägt zahlreiche Anekdoten aus Kindheit und Jugend zusammen und überzieht alles ungeniert mit ur-amerikanischem, als romantisch missverstandenem Kitsch. "Townie" ist in seinem Storytelling über alle Maßen ambitioniert, in der Umsetzung aber erschreckend einfallslos und stumpf geraten.
Das beschauliche Städtchen Ithaca im Bundesstaat New York ist der Schauplatz, es hagelt Milieu-Romantik und Akustikgitarren aus Eimern. Ihren Pop-Sound reichert die Band mit Folk, Blues, Cowboys, einem gewissen (Lokal-)Patriotismus und konservierter Teenage Angst an. Sie peilt Adjektive wie "bodenständig" und "authentisch" an, landet aber bei "langweilig" und "sterbenslangweilig". In einem seiner endlosen "Ach, weißt Du noch, damals?"-Songs ist Harris 13 Jahre alt, in einem anderen 14, aber auch als gegenwärtig riesiger Rockstar vergisst er natürlich nie und nimmer, wo er herkommt. Der amerikanische Traum? The friends we've made along the way! Die sowohl inhaltliche als auch musikalische Lahmarschigkeit versuchen X Ambassadors mitunter zu kaschieren, indem sie melodielose Songs wie "I'm not really here" oder "Rashad" mit übertrieben voluminösen Stampf-Drums zuballern. Hilft jedoch nicht viel: Schlaftabletten wie die, nun ja, Power-Ballade "Fallout" oder die Power-Ballade "Women's jeans", gefolgt von der Power-Ballade "Half-life" – diesmal allerdings mit Piano! – drehen sich unaufhörlich im Kreis. Wo zur Hölle ist Jon Bon Jovi, wenn man ihn mal braucht?
Mit dem Opener "Sunoco" läuft das Album noch ganz gut, weil atmosphärisch-melancholisch an. "Your town" mit leidenschaftlicher Gesangsleistung von Harris transportiert tatsächlich die Intensität, die sich die Band bei "Townie" wohl vorgestellt hat. Und "Start a band" legt seinem Namen entsprechend einen annehmbaren Rock-Abgang hin. Sonst aber klingt alles gleich, austauschbar, nach Jukebox im Billig-Diner und 3 Doors Down – genauso zahnlos eben wie der vor der Tankstelle lungernde Redneck da hinten. X Ambassadors entführen ihr Publikum in eine gesichtslose und für nicht-amerikanische Zuhörer*innen in dieser Fülle auch irgendwie fremde Welt. Für Harris mag die Nabelschau und Retrospektive therapeutisch und wichtig sein, für alle anderen ist sie schlichtweg zum Gähnen. Wieder eine seltsame Platte, wenn auch anders seltsam. X Ambassadors bleiben eine seltsame Band.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Sunoco
- Your town
Tracklist
- Sunoco
- Smoke on the highway
- Your town
- I'm not really here
- Rashad
- (First dam)
- Fallout
- Women's jeans
- Half-life
- Follow the sound of my voice
- Start a band
- No strings
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Armin
2024-04-03 20:52:25- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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