
The KVB - Tremors
Invada / PIAS / Rough TradeVÖ: 05.04.2024
Lob des Brutalismus
2022 bebte in Mexiko die Erde. Zweifelsohne gravierender, als wenn, sagen wir, in Castrop-Rauxel eine Bratwurst explodiert – aber da dieses Naturphänomen in Mittelamerika des Öfteren vorkommt, mag sich bei den Einheimischen niemand mehr so richtig darüber aufregen. Kat Day und Nicholas Wood sehr wohl, als ihnen während eines Touraufenthaltes bei dieser Gelegenheit mehr als nur das Herz in die Hose rutschte. Immerhin: Mit "Tremors" war nach der mulmigen Erfahrung der Titel für das – je nachdem, ob man diverse Compilations mitzählt – circa sechste Studioalbum von The KVB gefunden. Auf diesem wummert es nach "Unity" wieder so intensiv, dass das Artwork womöglich bald einstürzende Neubauten zeigt, nachdem beim damaligen, ungewohnt vorlauten Clubhit "World on fire" schon die Tanzflächen erzitterten. "Labyrinths" stößt knapp zweieinhalb Jahre später in ein ähnliches Horn und rüttelt mit flammenden Gitarren-Texturen und prominenter Drum-Machine robust an den betonierten Grundfesten der dunklen Schuppen.
Gleichzeitig besitzt das Stück eine elektronische Oberflächenstruktur, von der aus Woods Stimme wie körperlos in die Atmosphäre aufsteigt. Das Universum von The KVB in einer Nussschale: Cold Wave mit Wärmepumpe, verschwitztem Dance-Appeal und kosmischem Unterbau, von frostiger Hand gespielt, jedoch auch wunderbar hymnisch aufgeladen. Im Gegensatz dazu dünstet "Negative drive" wolkige, nur gelegentlich hell erstrahlende Synthies aus und stellt zusammen mit der schleifenden Acid-Wuchtbrumme "A thirst" klar: Im Herzen waren The KVB trotz agil achtelnder Riffs und Aktien in Post-Punk und New Wave schon immer eine Elektro-Band. Oder gar eine Dream-Pop-Band nach Vorbild von Woods psychedelischem Nebenprojekt Saccades, mit dem der Brite bereits drei Longplayer veröffentlicht hat? Dafür spräche das vergleichsweise sanft pluckernde "Words", das genauso seine Shoegaze-Kreise zieht wie der leicht motorische Closer "Deep end", dessen Licks sich einen kleinen, verbogenen Twang-Dreh leisten.
Traumhaft sehen sie dabei nicht gerade aus, die im Stile des Brutalismus grob in eine Felswand geklotzten Häuser auf dem Cover – und dann wiederum irgendwie doch, denn die architektonisch bewanderte Keyboarderin Day gibt zu bedenken, dass durch die kompakte Bauweise vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg dringend benötigter Wohnraum entstand. Noch mehr Hoffnung für noch mehr Menschen, angesichts derer eine gewisse unschöne Würfelförmigkeit zu verknusen sein sollte. Und auch im Sound setzen The KVB kantige Reizpunkte wie die eiernde Sequenz im EBM-Groover "Dead of night" oder die mit Hintern und Handclaps wackelnde Space-Disco von "In the silence", während das Titelstück den beim Duo regelmäßig aufploppenden The-Cure-Vibe so leichtfüßig und bedenkenlos lebt, dass wenig später eine instrumentale Reprise sehr willkommen ist. Was ebenso für "Tremors" gilt – ein Album, das in seiner eigenartig kuscheligen Kühle zwar nicht die Erde beben, aber das Brustbein vibrieren lässt. Wir sind ja nicht in Mexiko hier.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Negative drive
- Labyrinths
- A thirst
Tracklist
- Negative drive
- Words
- Tremors
- Labyrinths
- In the silence
- Tremors (Reprise)
- Overload
- Dead of night
- A thirst
- Deep end
Im Forum kommentieren
boneless
2024-06-25 20:42:10
Ja, nicht so wirklich prickelndes Album. Gutes Mittelmaß, wie auch die Show Mitte Mai. Bin zum Glück kostenlos reingekommen, ansonsten hätte ich mich wohl geärgert...
Arne L.
2024-06-25 10:43:47
Irgendwie auf hohem Niveau bisschen langweilig, obwohl natürlich angenehm so im Hintergrund.
Armin
2024-04-03 20:50:33- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
musie
2024-03-15 17:35:44
Finde Overload grossartig!
boneless
2024-03-14 21:03:40
Overload ist ok, Labyrinths ziemlich klasse.
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