Ai Phoenix - I've been gone - Letter one
Racing Junior / Glitterhouse / IndigoVÖ: 19.01.2004
Brieffreundschaft
Mona Mørk ist Lehrerin auf der kleinen Insel Møkster, westlich von Bergen in Norwegen gelegen. Sie hat es dort zwangsläufig mit kleinen Kindern zu tun und mit der Natur. Besonders im Winter kann es passieren, daß die Fähre ausfällt und der Frost die Bewohner vom Rest der Welt abschneidet. Eigentlich kein Problem für erprobte Nordländer, die Gelassenheit in die Wiege gelegt bekommen wie unsereins die Liebe zum Fußball. Das Klischee endet jedoch an dem Punkt, da Monas zweiter Beruf ins Spiel kommt: Sie ist Sängerin in der vermutlich besten norwegischen LoFi-Band: Ai Phoenix. Diese wiederum haben nun ihr viertes Album - das dritte in Deutschland veröffentlichte - herausgebracht und werden in Zukunft noch häufiger die Heimatregion verlassen müssen. Denn Ai Phoenix sind konsequent ihren Weg der vielen kleinen Song-Schmuckstücke in angemessen spröder Verpackung weitergegangen und werden mit Erfolg belohnt werden.
Patrick Lundberg, neben Mona der andere Kopf des Trios, wiederum ist auch jemand, der am liebsten zu Hause bleibt. Kein Mann für die große Showbühne, leicht verschroben, introvertiert. Ausgedehnte Touren liegen ihm nicht, bei Interviews schickt er gerne die Kollegin vor. So passiert es fast zwangsläufig, daß er wenig angetan über das Leben on the road singt: "Autobahn is killing me." Und dennoch sind Ai Phoenix in der Lage, ein Publikum in den Griff zu bekommen, bei Konzerten eine eigene Welt zu erschaffen, fahrenden Geschichtenerzählern gleich. Intensität verbindet alle ihre Alben mit ihren Live-Performances. Obwohl sie vor dem Erscheinen des Debüts niemals gemeinsam auf einer Bühne standen.
"I've been gone - Letter one" ist songorientierter, pointierter als die Vorgänger. Besonders "Lean that way forever" lebte mehr von Stimmungen, vom Timbre der Sängerin und den morbiden Arrangements. Jetzt geht es phasenweise sogar richtig nach vorne ("Held into the fire") oder die Drei versuchen sich am Entwurf des großen Popsongs ("Call me in, Piccard"). Dabei spielt es gar keine Rolle, ob die Instrumente nun mit der Stromversorgungsquelle verbunden sind oder ob handwerkliche Perfektion zur Schau gestellt wird. Beides übrigens ist selten der Fall. Manchmal sogar eher das Gegenteil.
Bei den langsameren Stücken (z.B. "A country life in the autumn") sind das verschleppte Schlagzeug, Gitarre und Baß nach wie vor auf der Suche nach der finalen Lautmalerei. Auch wenn ein Akkordeon bisweilen Anflüge von Folk vermittelt, bleibt der ausgedachte Ort, an den einen diese Musik mitnimmt, niemals das Lagerfeuer, immer die Bar. Besonders gefällt dabei der Einsatz eines verstörend tiefklingenden Baß-Saxofons, das die Federn eines imaginären Lounge-Sofas zum Vibrieren bringt. Und daß Mona das Betören nicht verlernt hat, beweist sie spätestens mit "Sing ghost song". Mit einem Glas Rotwein in der Hand und einem Augenzwinkern für das hochverehrte Publikum - wie bei jedem Song sangesmäßig unterstützt von Patrick, dem Lou Reed Skandinaviens - klingen wieder mal die Helden der gebrochenen Gefühle an: Velvet Underground. There she goes again.
Highlights & Tracklist
Highlights
- A country life in the autumn
- Call me in, Piccard
- Autobahn
Tracklist
- Somewhere nice and all
- A country life in the autumn
- Call me in, Picard
- The last resort
- The pilot and the pilgrim
- Autobahn
- Leaving the fairground
- Trolley in the train
- Sing ghost song
- Small, red, heartshaped pillow
- Held into the fire
- Melt our hearts forever
Referenzen
Spotify
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