Scott Stapp - Higher power
Napalm / UniversalVÖ: 15.03.2024
Blick nicht nach vorn
"A trip down memory lane" nennen Amerikaner*innen das, was Scott Stapp in seiner Musik so gerne macht. Ein Schwelgen in Erinnerungen, ein Entlanghangeln an wichtigen Punkten im Leben, bei denen man manchmal mit einem kleinen Lächeln eine Träne verdrückt oder sich an anderer Stelle komplett wegcringet. Dabei beschreibt das nicht nur die inhaltliche Ausrichtung des Ex-Creed-Frontmanns, sondern auch das Gefühl, das man als geneigter Hörer mindestens Ü30 hat, wenn man das neue Album "Higher power" hört. Denn irgendwie funktioniert hier einiges ganz unpeinlich als Nostalgierutsche, und an anderen Stellen ist der Powerrock so aus der Zeit gefallen, als hätte man Scott Stapp vor 25 Jahren eingefroren und er wäre gerade erst wieder aufgetaut.
Das Beste kommt beim mittlerweile 50-jährigen US-Amerikaner nicht zum Schluss, sondern nach wenigen Sekunden. Der Titelsong wartet kein Intro ab, um mit Gitarrengewalt und sakralen Synths den Pathos der Jahrtausendwende ins kollektive Bewusstsein zurückzuholen. Da hat man Gedanken an "The Scorpion King" und Godsmack, es ist ein bisschen gruselig, aber eigentlich auch geil. Dass der gläubige Christ Stapp schon im ersten Song von Engeln, Teufel und Gott schwadroniert, dürfte mittlerweile niemanden mehr überraschen. Überhaupt lesen sich die Zeilen auf dem Papier wie gerade so Englisch-LK geschafft, wenn es in dem ebenfalls sympathisch nach vorne rockenden "Deadman's trigger" heißt: "I'm no fool / I'm no killer / You push, I pull a dead man's trigger / It's not hate / The truth is bitter / You push, I pull / I'm a deadman's trigger." Bloß nicht zu lange drüber nachdenken.
In der Folge passieren erwartbare Dinge: "Love is not enough" ist mit schleppenden Gitarren kurz am Tiefpunkt und schmerzt sich durch die verletzte Männerseele. "What I deserve" zieht die Produktion so groß wie möglich auf und gibt der tatsächlich raumfüllenden Stimme von Stapp fetten Unterbau plus ein episches Gitarrensolo des griechischen Gitarristen Yiannis Papadopoulos, der auf "Higher power" gleich zweimal ran darf. "You're not alone" zeigt, was passiert, wenn man die fette Produktion wegnimmt, aber Grundkomposition und Pathos beibehält und langweilt extrem. Ähnlich öde klingt die Gitarren-Reflektion "If these walls could talk", die den ganz langen Weg die Erinnerungsstraße runternimmt, aber Navigation zumindest von Gastsängerin Dorothy bekommt.
Es ist nicht so, als würde das vierte Solo-Album von Scott Stapp nicht auch immer wieder Spaß machen, aber eher auf die Art, dass man seinen eigenen Hang zur Nostalgie hinterfragt. Wenn "Dancing in the rain" den Blick in Richtung Himmel wagt und zu Gott spricht, die Sonne trotz der Wolken jagt, dann ist das eigentlich nur peinlich: "I'm a rolling stone / What can I say / I'm dancing in the rain." Und das abschließende "Weight of the world" soll eigentlich das große Mutmachfinale werden, aber wirkt wie Selbstparodie, und die Zeilen wären schon in den Achtzigern ausgelutscht gewesen: "I'll be your light in the dark / So you have peace in your heart / Nothing is in impossible / I'll carry the weight of the world." Man kann auch 20 Jahre nach Creed nicht leugnen, dass es ein unausgesprochendes Bedürfnis nach dieser Musik gibt – egal wie ausgeprägt das bei einem selbst ist. Scott Stapp macht Musik, die lieber zurückgeht als nach vorne. Muss man ja nicht mitgehen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Higher power
- Deadman's trigger
- Black butterfly
Tracklist
- Higher power
- Deadman's trigger
- When loveliest not enough
- What I deserve (feat.Yiannis Papadopoulos)
- If these walls could talk (feat. Dorothy)
- Black butterfly
- Quicksand (feat. Yiannis Papadopoulos)
- You're not alone
- Dancing in the rain
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Armin
2024-03-13 21:18:05- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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