
Anja Huwe - Codes
Sacred Bones / CargoVÖ: 08.03.2024
Wald in Klammern
Alles, so Anja Huwe, ist ein Code. Sprache, Optik, Gestik, Mimik, Kleidung. Und im Grunde gilt das auch für Gothic. Jene Subkultur, innerhalb derer ihre Band Xmal Deutschland Anfang der Achtziger Siouxsie And The Banshees nacheiferte und von sich behaupten konnte, die erste rein weibliche Gruppe des Genres zu sein. Die Losung: New Wave voll kehliger Qualität und scheppernder Gitarren, hochtoupierte Frisuren, angesichts derer Robert Smith noch ein wenig mehr erbleichte, und unbedingtes Durchziehen der eigenen künstlerischen Vision – auf Platten wie "Fetisch" und "Tocsin" sowie im Szene-Klassiker "Incubus Succubus". Und als es daraufhin eher angestrengt poppig wurde, hatten sich Xmal Deutschland trotz Major-Deals fast schon wieder erledigt. Musik kam für die Hamburgerin, die ab 2000 in New York als Künstlerin und Designerin arbeitete, lange nicht in die Tüte, bis sie wieder in die Heimat zurückgekehrt war. Da wartete nämlich die alte Freundin Sabine Bredy alias Mona Mur – mit offenbar ziemlich ansprechenden Codes.
Ein Stück hatte Bredy, seit Jahrzehnten mit Mitgliedern von Einstürzende Neubauten, Yello, KMFDM oder The Stranglers musikalisch verbandelt und nun Produzentin von Huwes erstem Soloalbum, sogar schon auf Lager: Das kontemplative "Skuggornas" ist nicht der spektakulärste Moment von "Codes", etabliert jedoch einen Rahmen, in dem die Schatten des Gestern den Weg in die Zukunft weisen. Liest sich abgeschmackt, bereitet aber auch den Boden für kraftvolle bis melancholische Selbsterkenntnis per industriellem Stampfen, luftigem Ethereal Wave und elektronisch grundiertem Post-Punk. Und ebenso für die Aufzeichnungen eines Partisanen, der 1942 selbstbestimmt in der weißrussischen Wildnis lebte. Allerdings ohne die sprotzenden Keyboards und die röhrenden Gitarren, zu denen der Reißer "Rabenschwarz" kämpferisch vorwärtsprescht: "Wir flehen nicht mehr, wir handeln!" Machen ist wie wollen, nur krasser? Für die einen ein Kalenderspruch, hier ein zündender Rocksong mit gewaltig Temperament im Allerwertesten.
Ähnlich – so sagte man wohl im neonschwärzesten Jahrzehnt des Pop – fetzt auf "Codes" lediglich das temporeiche, auf Knatter-Bass und wild ausschlagenden Sequenzen gebettete "Living in the forest". Wobei man Huwes urdeutsche Phrasierung schon deswegen charmant retro finden sollte, da die frühere Bandkollegin Manuela Rickers störrische Schrubb-Riffs beisteuert. Auch woanders ist alles grün – etwa beim mit reizenden, Trance-nahen Arpeggios ausgestatteten "O Wald" oder in der "Zwischenwelt", die inmitten von spukigem Twang und Death Rock ein angedüstertes Plätzchen findet. Zwar muss man bei so viel Naturverbundenheit zuweilen mit einer gewissen esoterischen Note rechnen – aber umarmen Sie doch mal einen Baum, ohne feuchte Schnallenschuhe zu bekommen. Und wird es etwas viel der Vergeistigung, rücken "Pariah", die Electro-Hymne aller Ausgestoßenen, oder die brodelnden Breakbeats von "Exit" die Dinge schnell wieder zurecht. Oder um es mit Huwe zu sagen: "So macht man das!" Auch 40 Jahre später.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Rabenschwarz
- Exit
- O Wald
Tracklist
- Skuggornas
- Rabenschwarz
- Pariah
- Exit
- O Wald
- Zwischenwelt
- Sleep with one eye open
- Living in the forest
- Hideaway
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MickHead
2024-03-15 19:30:30
https://xmaldeutschland.bandcamp.com/album/codes
Armin
2024-03-13 21:16:22- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
Mann 50 Wampe
2024-03-10 21:46:27
Heute habe ich es gehört. Recht elektronisch modern, fast schon Industriell, aber auch der typisch düstere Xmal Deutschland Sound. Erster Durchlauf gefiel mir gut.
Immermusik
2024-03-10 21:03:42
Zur Erinnerung. Das Album ist jetzt draußen. Schönes Update des X-mal Deutschland Sounds.
Autotomate
2024-02-11 01:52:07
Neuer Song: "Pariah"
https://m.youtube.com/watch?v=mXfEQ8LvQzU&pp=ygUJYW5qYSBodXdl
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- Anja Huwe - Codes (6 Beiträge / Letzter am 15.03.2024 - 19:30 Uhr)