Thomas Dybdahl - Teenage astronauts

V2 / Bertus
VÖ: 15.03.2024
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Früher war alles

Ein mittelalter Mann blickt auf seine Jugend zurück: Das kann natürlich ganz fürchterlich nach hinten losgehen. Wenn in vollständiger Verklärung des eigenen Heranwachsens Kleinigkeiten zu Heldentaten hochstilisiert werden oder Erinnerungen an verflossene Lieben zum schwülstigen Lyrikgebräu verkommen. Wie man es ganz und gar richtig anstellt, zeigt uns der Norweger Thomas Dybdahl. Der ist im Moment der Veröffentlichung mit seinen 44 Jahren tatsächlich mittelalt und besucht auf "Teenage astronauts" retrospektiv seinen adoleszenten Lebensabschnitt. Für diese Reise in die Vergangenheit benötigt er auf seinem bereits zehnten Album nur knapp mehr als eine halbe Stunde, in der er allerdings viel zu erzählen hat.

Als erwiesener Meister der eher ruhigen Klänge lässt es der Singer-Songwriter gewohnt zurückhaltend losgehen. "Teenage astronauts" ist dabei ein glänzender Auftakt zu einem Gesamtkonstrukt, das dem Format Album meisterhaft huldigt. Zunächst dezent, dann mit leicht dramatischer Geste verleiht er dem feinen Arrangement seine lyrische Note: "No one understands / Teenage astronauts can fly / No one understands / Teenage astronauts don't die / It's like we're walking on the moon / We fall but nothing hurts / No rules to stop us now we're free / Fuck everyone on Earth." Ein Blick auf eine Phase im Leben, in der Fliegen möglich zu sein scheint, alle Sorgen universumweit entfernt wirken und alles vorstellbar ist. Die Einbindung des Stavanger Symphony Orchestra, die sich sehr präsent, aber unaufdringlich durch das ganze Album zieht, kommt hier direkt zur vollen Entfaltung.

Doch sorgenfrei ist auch das Teenagerleben nicht. Erinnert sich Dybdahl im herausragenden "Graffiti boy" noch an die Tiefe einer besonderen Freundschaft, ziehen kurz danach die dunklen Wolken auf. "If words were colors / Then your first words were blue / Painting trees and sidewalks / Each day I spent with you" mag noch auf unbeschwerte Zeiten deuten, in denen man sich die Welt so macht, wie sie einem gefällt. Aber: Nichts ist für ewig. Der Sänger schaut fassungslos auf einen Freund, der sich unvermittelt aus dem Staub macht: "I didn't know that he would go / And leave me so soon / He packed his time, his twisted mind / But not our friendship too / All for a girl / All for a girl / All for a girl." Jede Wiederholung wirkt wie eine sich auch Jahrzehnte später verstärkende Enttäuschung.

Thomas Dybdahl war nicht immer als Solokünstler unterwegs. Unter anderem war er Teil der Bands Quadraphonics und The National Bank oder sang Stücke für Morcheeba ein. Die dort zelebrierten Ausflüge, unter anderem in den Jazz, oder seine Mitarbeit an Filmmusik spiegeln sich auch auf "Teenage astronauts" wider. Die Begeisterung für die Kollaboration mit anderen ist ihm erhalten geblieben. Das Stavanger Symphony Orchestra brachte Vince Mendoza in Form, der schon Kooperationen mit Joni Mitchell und Björk eingegangen ist. Außerdem steuerte die Musikerin Edie Kuhnle Ottestad eigene Erfahrungen mit einem heranwachsenden Sohn bei. Es ist ein unbestritten kurzes Werk, auf dem Dybdahl wohlplatziert ein jeweils instrumentales Zwischen- und Abschlussfragment eingearbeitet hat. Aber gerade der Fokus auf das Wesentliche macht es zu etwas ganz Besonderem.

(Torben Rosenbohm)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Graffiti boy
  • All for a girl
  • Sea turtles

Tracklist

  1. Teenage astronaut
  2. Graffiti boy
  3. All for a girl
  4. Beautiful boy
  5. All for a girl (string reprise)
  6. There is no one else on Earth
  7. Sea turtles
  8. Rocket ship
  9. Teenage astronauts (reprise)
Gesamtspielzeit: 31:54 min

Im Forum kommentieren

Randolf

2024-03-16 11:10:57

Sehr schönes, kontemplatives Album, sehr passende orchestrale Arrangements und pointierte Texte! Dazu der zuweilen auch ätherische Gesang eines versierten Sängers - ein sehr stimmiges Konzeptalbum!

Armin

2024-03-08 18:39:34

Ich vermute. Wir sind diesmal etwas früh dran, aber bot sich als "Album der Woche" an. Der Song ist jedenfalls repräsentativ, wenn auch schon einer der besten, wenn nicht der beste.

Ituri

2024-03-07 12:14:46

Rezension liest sich schön, macht neugierig. Ist bisher nur Graffiti Boy anzuhören?

Obrac

2024-03-06 21:32:52

Liest sich so, als wenn er tatsächlich eher wieder balladesk unterwegs wäre. Die letzten Platten waren ja eher luftig.

Armin

2024-03-06 21:04:20

Und gleich die erste Meinung: Klasse Album! Sehr Anywhen-ig.

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