
Bleachers - Bleachers
Dirty Hit / UniversalVÖ: 08.03.2024
Wahre Größe
Wer ist Jack Antonoff?! Na, der relaxte Typ hinter Bleachers natürlich. Musiknerds und Kulturschaffenden sehr wohl längst bekannt, wird der Produzent und Multiinstrumentalist allein als Musiker womöglich keinen Weltruhm mehr erlangen. Zumindest, wenn damit Superstar-Status oder das Füllen der Konzert-Arenen rund um den Globus gemeint ist. Dabei wäre das durchaus verdient! Gar grotesk erscheint es, eine Erklärung zu erfinden, warum Stücke wie "How dare you want more" vom Album "Take the sadness out of Saturday night" oder auch "I wanna get better" vom energentischen, grünschnabeligen 2014er-Debüt "Strange desire", keine Welthits geworden sind. Gerade wegen Antonoffs Fähigkeit, umarmende, teils überzuckerte Songs inmitten einer oft wenig süßen, sondern grauen und sozial überhitzten Welt zu pflanzen, wäre der Erfolg verdient. Weil Bleachers-Songs diesen Planeten definitiv farbenfroher und positiver machen können. Und weil Antonoff, Ex-Kopf der Band Fun., mit dem vierten, selbstbetitelten Bleachers-Longplayer erneut überzeugende Kunst abliefert.
Die Single "Modern girl" startet mit euphorischer Bläser-Fanfare und zum flugs übernehmenden Stampf-Beat hat man Anfang der Achtziger womöglich automatisch Polonäse getanzt. Zumindest der Indiepop-affine Mensch dürfte diesen Track für das restliche Jahr 2024 kaum mehr aus den Lauschern bekommen. Doch das Große und Ganze lässt sich dieses Mal nicht unter Hurra-Indie einsortieren. "Bleachers" ist in weiten Teilen subtiler, atmosphärischer, zuweilen auch elektronischer geraten. "Woke up today" etwa macht auf der Akustischen und mit mehrstimmigem Gesang ein bisschen auf frühe Beach Boys. Der Opener führt uns auf Schienen genau an der Schnitsstelle zwischen The Postal Service und Future Islands entspannt ins Album. Auch "Jesus is dead" beginnt schüchtern, um hintenraus vornehm zu eskalieren. Immer wieder nutzt Antonoff dazu Piano- bzw. Keyboard-Momente, die uns im Eiltempo in die Achtziger entführen.
Ab und an, wie etwa im fluffigen, R'n'B-infizierten "Call me after midnight" oder im zart pluckernden "Me before you", einer Art Song-Skizze-XXL, agiert Antonoff in Sachen Komposition und Arrangements nicht weit entfernt von The 1975, deren Musik er produziert. Dem Hörerlebnis schadet das nicht, denn Antonoff lässt allgemein doch etliche Erfolgs-Elemente kontemporären Indie-Pops in seinen Stücken aufblitzen. Ein zart säuselnder Ohrwurm wie die Auskopplung "Alma mater" etwa würde sich auch in einem Bon-Iver-Set äußerst wohl fühlen. Zurecht lehnt sich Antonoff zurück und hält inne. Anfang Februar 2024 erst gewann der US-Amerikaner bei den Grammys erneut den Preis als Produzent des Jahres. Sein insgesamt zehnter Award!
Etwas anders, weil großartig einfühlsam ist "We are going to know each other forever" geraten, irgendwie ein The-National-Song, der auch ohne Dessner-Rhythmusgruppe funktioniert. Antonoff versprüht Weitblick und Zufriedenheit, ordnet ein, bietet Ohr und Schulter. Und man ahnt es: Der Songwriter hat während der Entstehung dieser Platte seine große Liebe entdeckt und driftet nur zu gern in die zuckerglitzernde, rosarote Gefühlswelt. "Tiny moves" ist dementsprechend Tanz und Euphorie pur, hat massiv Augenaufschläge und Hüftschwung zu bieten, bei dem man sich nicht anders als nah kommen kann. Und ja, Antonoff hat es wieder getan. Das mit dem Hit, der eigentlich alles hat, um die Welt zu erobern. Es wird aber vermutlich wieder nicht passieren. Doch das wird ihm herzlich egal sein.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Modern girl
- Alma mater
- Tiny moves
- We are going to know each other forever
Tracklist
- I am right on time
- Modern girl
- Jesus is dead
- Me before you
- Alma mater
- Tiny moves
- Isimo
- Woke up today
- Self respect
- Hey Joe
- Call me after midnight
- We are going to know each other forever
- Ordinary heaven
- The waiter
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Francois
2024-03-11 09:33:05
uh, die gefällt mir richtig gut!
Erste Albumhälfte locker 8/10!
Alma Mater ein Highlight
Emil.Sinclaire.
2024-03-09 17:27:26
Sehr cooles, lässiges, atmosphärisches Album… bleachers gingen bisher an mir vorbei, daher bin ich umso begeisterter !!! Mal durch die früheren Alben durchhören …
Kai
2024-03-09 15:28:26
Ich mag die Scheibe nach dem zweiten Hören sehr und glaube, dass die auch regelmäßig laufen wird.
The National treffen auf M83 auf Bon Iver auf the 1975 usw. Das ganze mit ner dicken Portion 80er...
Langweilig find ich das ganz und gar nicht, immerhin passiert doch Recht viel auf dem Album.
Auch die Bonussongs auf der Vinyl gefallen und vor allem Margo hätte gern auch aufs reguläre Album gekonnt.
Und das Mastering auf Vinyl ist echt stark und baut mitunter richtig Druck auf.
Hornrabe 1
2024-03-09 11:59:18
Ist ein gutes frühe 80‘s affines Pop Album. Er setzt exzessiv Saxophone ein. Eigentlich ist mir Saxophon ein bisschen zu sehr Retro, aber bei Jack packen sie mich. MODERN GIRLS fand ich im Vorfeld nervig, eigentlich alle vorab veröffentlichten Songs. Im Albumkontext machen die für mich alle Sinn. Vor allem auch Alma Mater mit Lana.
Nee, spaßiges Album.
TOOL99
2024-03-09 07:24:13
St. Vincent
2017: Masseduction
2021: Daddy’s Home
Ach, jetzt weiß ich endlich, warum die Alben so zahnlos geraten sind. Hoffentlich mischt er nicht auch beim neuen mit.
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Referenzen
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