Bruce Dickinson - The Mandrake project

BMG / Warner
VÖ: 01.03.2024
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Scream for me

Es gab mal eine Zeit bei Iron Maiden, in der Solo-Projekte von Bandchef Steve Harris nicht allzu gerne gesehen waren. Gitarrist Adrian Smith wurde 1989 direkt nahegelegt, die Band zu verlassen, und als Frontmann Bruce Dickinson 1990 sein Solodebüt "Tattooed millionaire" veröffentlichte und damit dem im selben Jahr erschienenen Maiden-Album "No prayer for the dying" handfeste Konkurrenz zu machen drohte, war der Chef erst recht erbost und bestand auf der Bedingung, den Song "Bring your daughter ... to the slaughter" gefälligst auf der Platte seiner Hauptband zu veröffentlichen. Viele Jahre sind seitdem vergangen und von Harris selbst unter dem Namen British Lion auch zwei Solo-Alben erschienen. Nur den Zugriff auf Songmaterial auf dem kurzen Dienstweg, den erlaubte sich der Bassist in der jüngeren Vergangenheit gleich noch einmal – als er nämlich eine halbfertige Demo-Aufname in die Finger bekam, die ihm so gut gefiel, dass daraus "If eternity should fail" vom Album "The book of souls" wurde.

Keine so schlechte Wahl also, doch Dickinson ließ der Plan nicht los, endlich wieder ein Album unter eigenem Namen zu produzieren – das erste seit "Tyranny of souls" von 2005. Diesmal jedoch wurde der Frontmann anscheinend nachhaltig von der Muse geküsst und veröffentlicht parallel zu "The Mandrake project" gleich noch eine Serie von Graphic Novels. Da jene jedoch laut dem 65-Jährigen nur lose mit den neuen Songs verknüpft seien, kann man sein siebtes Studioalbum auch einfach ganz oldschool ohne Hintergedanken genießen. Um sich umgehend die Kopfhörer vom Schädel pusten zu lassen. "Afterglow of Ragnarok" heißt der Opener, kommt direkt auf den Punkt und lässt tiefe, druckvolle Riffs durch den auf jene Götterdämmerung folgenden Fimbulwinter schneiden. Das folgende "Many doors to hell" hingegen zeigt den Briten wieder von seiner wohlbekannten Seite, indem er seine Stimme im Refrain nach wie vor glasklar in den höchsten Tönen jubilieren lässt.

Glücklicherweise bleiben weitere Ausflüge der Sorte "Maiden ohne Maiden" aus, vielmehr tobt sich der Frontmann mit Songs aus, die so sicherlich nicht das Placet des meinungsstarken Viersaiters fänden. "Rain on the graves" ist so eine Nummer, bei der Dickinson mehr erzählt als singt, zu bluesigen Klängen fast rezitiert, während "Resurrection men" mit einer staubtrockenen Portion Americana wohl auch Quentin Tarantino begeistern würde, bis ein feist groovendes Riff einsetzt. Tja, und dann findet sich mit "Eternity has failed" im Prinzip der Song, den Dickinson offenbar halbfertig seinem Chef untergejubelt hat. Zumindest wirkt vieles hier besser ausgearbeitet, schlüssiger. Alles richtig gemacht also. Und wenn wir schon bei Referenzen auf das eigene Schaffen sind – Anfang der 2000er-Jahre war bekanntermaßen ein Projekt in Planung, welches Dickinson, Rob Halford von Judas Priest und Geoff Tate von Queensrÿche zusammenbringen sollte. Letzten Endes scheiterte der Plan an der fehlenden Chemie zwischen Dickinson und Tate, lediglich "Tyranny of souls" blieb als Songidee erhalten. Meinte man. Denn auch "Shadow of the gods" stammt aus dieser Zeit, und fast kommt ein wenig Wehmut auf, wenn Dickinson auch nach über 20 Jahren vermittelt, welche Passage für welchen Sänger hätte gedacht sein können.

Ganz und gar kein Ratespiel gibt es beim abschließenden "Sonata (Immortal beloved)". Was für ein hymnisches Epos, das sich der Sänger hier gemeinsam mit Gitarrist Roy Z selbst auf den Leib geschrieben hat. Fast zehn Minuten dauert dieses Prachtwerk, so lange wie kein anderes auf einer Soloplatte des Teilzeit-Piloten, und keine Sekunde davon ist verschenkte Zeit. Wie ein Geschichtenerzähler beschwört Dickinson geradezu, deklamiert, nur um plötzlich in einer Pracht von Refrain die Arme auszubreiten. "Nur" ein Metal-Shouter? Papperlapapp, wer außerhalb der Szene immer noch nicht begriffen hat, welch begnadeter Sänger Bruce Dickinson wirklich ist, sollte dringend seine Wahrnehmung überprüfen. Und die Hauptband? Man könnte fast sagen, dass Steve Harris ein wenig erleichtert sein dürfte, wenn ein Song wie "Fingers in the wounds" eben doch nicht hundertprozentig durchzündet. Doch auch so werden Iron Maiden bei einem irgendwann erscheinenden Nachfolger von "Senjutsu" alle Hände voll zu tun haben, "The Mandrake project" etwas Gleichwertiges entgegenzusetzen.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Rain on the graves
  • Resurrection men
  • Shadow of the gods
  • Sonata (Immortal beloved)

Tracklist

  1. Afterglow of Ragnarok
  2. Many doors to hell
  3. Rain on the graves
  4. Resurrection men
  5. Fingers in the wounds
  6. Eternity has failed
  7. Mistress of mercy
  8. Face in the mirror
  9. Shadow of the gods
  10. Sonata (Immortal beloved)
Gesamtspielzeit: 58:49 min

Im Forum kommentieren

8hor0

2024-03-12 07:47:25

eine seiner besten gesangsleistungen imho:

Navigate The Seas Of The Sun
https://www.youtube.com/watch?v=2hETIuonpcE

eMSig70

2024-03-06 18:00:05

Wie schon geschrieben, das fing bereits vorher an. Aber das ist auch nicht der Punkt. Ich verstehe die ganzen Kritiken nicht, die ihm eine prime Stimme wie eh und je bescheinigen, wenn es doch nunmal nicht stimmt. Ich mag Dickinson, ich mag Iron Maiden. Ich habe sie insgesamt fünfmal live gesehen, ihn einmal solo. Aber deshalb verschließe ich doch nicht die Augen bzw. Ohren vor der Realität.

8hor0

2024-03-05 17:07:31

hatte er nicht zungenkrebs? er tut, was er kann..

eMSig70

2024-03-05 17:00:02

"indem er seine Stimme im Refrain nach wie vor glasklar in den höchsten Tönen jubilieren lässt"

Bitte was? Gerade in den hohen Lagen klingt seine Stimme seit einigen Jahren dünn, krächzend und schrill. Und bevor mir jemand mit seiner zwischenzeitlichen Erkrankung kommt: Das fing schon zu Zeiten von "The Final Frontier" an. Leider ist die neue Platte auch musikalisch eher mau. Bis auf das Savatage-artige Riff im Opener bleibt da nicht viel hängen. Schade.

8hor0

2024-03-04 15:50:05

bruce geht immer!

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