Remo Drive - Mercy

Epitaph / Indigo
VÖ: 23.02.2024
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Jung und trotzdem weise

Coming-of-age, musikalische Weiterbildung um jeden Preis, das Schärfen des eigenen Stils und Geschmacks: Kennt man alles. Dem Pop-Punk im Laufe des Weges verloren gegangen sind bereits zahlreiche Bands, man nehme nur, ganz prominent, Brand New. Denn platte College-Tramödien und gequälte "Buhuhu, Du liebst mich nicht mehr"-Abrechnungen auf drei Akkorden reichen ambitionierten Musiker*innen einfach irgendwann nicht mehr aus (falls man nicht gerade Blink-182 ist). Das (Ex-)Emo-Trio Remo Drive aus dem Upper Midwest investiert auf seinem vierten Album "Mercy" allerdings nicht in existentialistisches Drama und harschen Noise, sondern staubt behutsam die großväterliche Plattensammlung ab, baut, ganz erwachsen, auf Sechziger- und Siebziger-Vibes, auf Rock'n'Roll und auf Folk. Pate gestanden für den Albumtitel hat so auch ein Interview mit Nick Cave – und der mag vieles sein, aber Teenage-Angst-Punk-Boy nun wirklich nicht. Gnade, wem Gnade gebührt: Die Rechnung der US-Amerikaner, sich hier einmal gepflegt die Hörner abzustoßen, geht wunderbar auf.

Der Bass hüpft munter umher, Powerchords sind verboten, und allem wohnte eine heimelige, wärmende Atmosphäre inne: Jawbreaker-Frontmensch Blake Schwarzenbach hat seine Abkehr vom Emocore mit Jets To Brazil dereinst ganz ähnlich inszeniert. "Please, please be smart" gibt den Takt vor, die jugendliche Stimme von Erik Paulson bettet sich zwischen Licks und Chöre wie in ein weiches Federbett und besingt den Neuanfang. Zusammen mit Bruder Stephen am Bass und Drummer Sam Becht sucht und findet Gitarrist Paulson neue Ufer, in "I find trouble" neben einer Menge Ärger sogar ein bisschen den Soul. Und straft das noch immer junge Alter in gut abgehangenem Songwriter-Folk wie "New in town" Lügen, wenngleich textlich weiterhin gern aus Rookie-Perspektive: "Apparently everyone's going to Susie's / I'm not exactly sure who that is / I was thinking she's an old friend of Whitney's / But she's a bar, not a person." Generell sorgt die Schere zwischen introvertiert-bissigen, dabei oft recht blauäugigen Lyrics und gestandenem Rock-Handwerk für den besonderen Charme der Platte. Mittelgroße Indie-Epen wie das tolle, melancholische "All you'll ever catch" klingen, als hätten Remo Drive nie etwas anderes gemacht – zumal es sich für den Twist lohnt, auch hier für den Text zu bleiben.

Im hoch gen Himmel strebenden Titeltrack bittet das Trio schließlich folgerichtig darum, den Welpenschutz einzustellen: "Mercy, mercy / I say, who needs it? / Mercy, mercy / Oh, who cares?" Dazu gniedelt die Leadgitarre amtlich, und das kleine Drumkit treibt unaufhörlich voran, spornt selbst die letzten Zweifler*innen zur Eile an. Remo Drive können machen, was sie wollen, nennen es ganz bescheiden "Makin' muzak", denn: "I ain't Princess Peach / No one is looking for me." Stereotyper Kitsch wie die Liebe als "Houseplant", die man gefälligst anständig und regelmäßig zu wässern hat, sei den Dreien wegen all der schon eingetüteten Sympathie dann auch im Handumdrehen verziehen. Die Band war schon auf ihrem Debüt "Greatest hits" von 2017 trotz dieses Kalauers weniger platt unterwegs als artverwandte Truppen – "Mercy" zeigt nun auf schlüssige und beeindruckende Weise, wo die Reise im Endeffekt hingegangen ist.

(Ralf Hoff)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • All you'll ever catch
  • Mercy
  • New in town

Tracklist

  1. Please, please be smart
  2. I find trouble
  3. All you'll ever catch
  4. White dress
  5. Mercy
  6. Makin' muzak
  7. Houseplant
  8. No, there's no hope for you
  9. New in town
  10. Hold you
Gesamtspielzeit: 36:25 min

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Armin

2024-02-21 22:05:49- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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