The Body & Dis Fig - Orchards of a futile heaven

Thrill Jockey / Indigo
VÖ: 23.02.2024
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Schmeckt gut, tut weh

"Es wird unangenehm", warnte Rezensent Makolies seinerzeit schon zu Anfang seiner Betrachtung von The Bodys "I've seen all I need to see". Und hatte hinterher vermutlich auch alles gehört, was er hören musste. Er behielt Recht: Es ist harte, hässliche Arbeit, sich durch die roh aufgeworfenen Doom-Brocken zu wühlen, die Chip King und Lee Buford mit möglichst wenig herkömmlicher Metal-Anmutung zurechtbrutzeln. Doch nicht einmal darauf ist Verlass, denn das Duo aus Portland hatte zusammen mit Big | Brave auch bereits nachdenkliche, wiewohl arg verrauschte Folk-Klagelieder in der Mache, ehe die elektrifizierte Industriebrache "Enemy of love" diese harmonischen Anwandlungen direkt wieder grob einplanierte. Da wird es auf dem gemeinsamen Album mit der Berliner Produzentin Felicia Chen alias Dis Fig doch nicht lieblich, gar angenehm werden?

Keine Bange: Auch "In blue", Chens Kollaboration mit The Bug, war schließlich so kuschelig nicht. Devise: Cherchez la femme and make some noise. Man sollte also mit Vorsicht genießen, was in den "Orchards of a futile heaven" wächst – und entweder auf Gervais Obstgarten mit Metallspänen oder auf ein Müsli mit Extra-Crunch und stacheligen Früchten gefasst sein. Schmeckt gut, tut weh. Und doch hat dieses Album manchmal etwas fast Erheiterndes. Nämlich dann, wenn sich Chens körperlos zwischen Sirene und Würgeengel oszillierende Stimme mit Kings entmenschtem Zahnarztbohrer-Geschrei zu einem reichlich bizarren Duett ergänzt. Ein Hort des relativen Wohlklangs inmitten der Massive aus grollenden Effekt-Walzen, welche die gebürtige New Yorkerin annähernd so gut beherrscht wie The Body selbst. Also bitte nicht mit dieser Dame verwechseln.

Aber wer weiß? Vielleicht hat Chen dem Katastrophen-Doppel ja tatsächlich ein wenig Schliff beigebogen. Vor allem durch ihren Gesang – ein Element, das man bei The Body meist mit der Lupe suchen muss und das hier vergleichsweise im Überfluss vorhanden ist. Zum Beispiel in "Eternal hours", das sich nach heiserem Einfauchen mit dem ersten raumgreifenden Drum-Hieb von Buford zu einer Art geschrottet in die Ecke gepfefferten Version von Portisheads "Machine gun" mit Ladehemmung aufschwingt. Eine Seltenheit: Ein richtiggehender Song eröffnet ein The-Body-Album – noch dazu ein unglaublich guter. Zur gleichen Spezies zählt das Titelstück, ein perkussiver Drone-Rumpelkarton mit Sie-droht-er-kreischt-Ästhetik, den Chen zudem wirkungsvoll mit rhythmischen Kapriolen und brillanten Vocals durchrüttelt. Und trotzdem ein fantastisches, gnadenloses Getöse.

Klingt unerhört? Ist es aber nicht, denn mit ähnlich vernichtendem Malmen inklusive unholder Weiblichkeit war Margaret Chardiets Projekt Pharmakon deutlich früher dran. Was die erschütternde Qualität von "Orchards of a futile heaven" nicht schmälert. Im Gegenteil, wie die Drum-Machine beweist, die das verzerrte Ungetüm "Dissent, shame" zum Schluss wutentbrannt auf links zieht, als man es sich gerade im Frittierfett bequem gemacht hatte. Oder der irre Neunminüter "Coils of Kaa", der einen Swans-Stampfbeat unter Kriechstrom setzt, zerstückelt und mit splitterndem Finale in die Luft jagt. Da kann selbst die "Dschungelbuch"-Schlange aus dem Titel in puncto Hypno-Potenzial einpacken: Drone frisst Doom, Power Electronics zerquetschen Sludge, bis alles in Fetzen hängt. Unangenehm? Gar kein Ausdruck für diesen herrlichen Wahnsinn von einem Album.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Eternal hours
  • Orchards of a futile heaven
  • Coils of Kaa

Tracklist

  1. Eternal hours
  2. To walk a higher path
  3. Dissent, shame
  4. Orchards of a futile heaven
  5. Holy lance
  6. Coils of Kaa
  7. Back to the water
Gesamtspielzeit: 38:16 min

Im Forum kommentieren

zurueck_zum_beton

2024-02-24 13:08:09

„In Blue“ von ihr mit the bug ist top!

Randwer

2024-02-24 12:34:39

Ja, für solche Tipps liebe ich die Plattentests.de

u.x.o.

2024-02-23 23:24:55

Hatte ich gar nicht auf den Schirm und bin äußerst positiv überrascht! Das ist einfach next level, wenn zum The Body Sound jemand tatsächlich singt und nicht nur so black metal mäßig kreischt und grunzt. Lief heute direkt fünfmal, fühle ich komplett, dieses Projekt. Kannte Dis Fig bis heute noch nicht, werde wohl mal checken, was es von ihr sonst noch so gibt. 8/10 scheint verdient!

Armin

2024-02-21 22:02:31- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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