The Last Dinner Party - Prelude to ecstasy

Vertigo / Universal
VÖ: 02.02.2024
Unsere Bewertung: 9/10
9/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Es ist angerichtet

Gemeinhin gelten Konzertfilmer*innen im Publikum als eher nerviges Phänomen. Als Lou Smith jedoch sein Video des insgesamt erst vierten Auftritts von The Last Dinner Party im Februar 2022 auf seinem der Londoner Underground-Musikszene gewidmeten YouTube-Kanal postete, wurden findige Vertreter von Island Records auf die Band aufmerksam, und das Label nahm das Quintett bald darauf unter Vertrag. Dank vieler weiterer Gigs konnten The Last Dinner Party auf recht altmodische Art und Weise lokal Aufmerksamkeit erregen und gleichzeitig ihren ganz besonderen Sound im Spannungsfeld von Glam-Art-Rock, Indie und Baroque-Pop entwickeln, bevor erst im Frühjahr 2023 die fantastisch originelle und zugleich eingängige erste Single "Nothing matters" erschien und ordentlich einschlug. Die nie um einen Hype verlegene britische Musikpresse war voll des Lobes und, auch der Plattentests.de-Chef orakelte anlässlich eines Festival-Auftritts im Schweden auf Facebook: "The Last Dinner Party könnten groß werden."

Bei Konzerten überzeugt die Band um Frontfrau Abigail Morris außer mit der Musik auch als Gesamtkunstwerk mit ungeheurem Charisma, Energie, theatralischer Grandeur und spektakulären Outfits irgendwo zwischen Jane Austen, Rocky Horror Show und Punk. "Nothing matters" bewies, dass sich diese Leidenschaft auch rein akustisch transportieren lässt, wenn das Songwriting derart ausgefeilt und clever ist. Die letzte mit derart vielen Vorschusslorbeeren bedachte rein weibliche Gitarrenband war wohl Wet Leg, deren gleichnamiges Debütalbum letztlich leider nicht ganz einhalten konnte, was die Singles versprochen hatten. Bedenken dieser Art wussten The Last Dinner Party mit einer über das letzte Jahr verteilten Reihe weiterer Vorab-Stücke eindrucksvoll zu zerstreuen. "Sinner" erzählt die Geschichte einer queeren Selbstermächtigung und vermengt dabei musicalhafte Passagen, Wechselgesang und verzerrte chromatische Gitarrenläufe sowie ein Solo der gelernten Jazz-Gitarristin Emily Roberts. Tatsächlich noch mehr Gänsehaut verursachte dann "My lady of mercy", das eine fluffig-poppige Strophe samt Handclaps mühelos mit einem headbangenden Hardrock-Refrain samt Riff à la Led Zeppelin kombiniert. Mit der berührenden Klavierballade "On your side" über eine zu selbstlose Liebesbeziehung zeigte sich die Band von einer verletzlicheren Seite, bevor "Cesar on a TV screen" als letzte Single vor Album-Release und mehr Suite als Song noch einmal mit mehreren Tempo- und Stilwechseln aufwartete und dabei Reminiszenzen an Kate Bush, Fleetwood Mac und Queen anklingen ließ.

Knapp die Hälfte der Songs auf "Prelude to ecstasy" waren also vorab veröffentlicht und gefeiert worden und heizten die Vorfreude aufs jetzt vorliege Album noch weiter an. Wie machen sich also die bisher unbekannten Stücke? Als Opener fungiert eine von Keyboarderin Aurora Nischevi komponiertes, orchestrales Vorspiel, quasi im Wortsinn die "Prelude" zur Ekstase als gewünschter Wirkung des weiteren Albums. Diese stellt sich noch nicht ganz sofort ein, denn "Burn alive" ist Düster-Disco zwischen Siouxsie und Blondie und zumindest im Kontext des Bandsounds eher etwas zurückhaltend. "Do you want me or do you want control?", fragt Morris dann im bittersüß schwungvollen, an Kate Bush erinnernden "Feminine urge". Ebenfalls mit Geschlechterrollen und -erwartungen beschäftigt sich der mit Querflöte instrumentierte Song "Beautiful boy", der nach langsamem Start in einem Finale mit mehrstimmigem, engelsgleichen Gesang gipfelt, das im scharfen Kontrast zu bissigen Zeilen wie "What good are red lips when you're faced with something sharp" steht. Noch besser als diese tollen Songs ist die atemberaubend fantastische Breakup-Hymne "Portrait of a dead girl" mit Streichersatz und ganz großer Geste, die in einem mantrahaft oft wiederholten Beschwörungschoral der Band mündet: "Give me the strength, give me the strength."

Es ist anders als bei so manchem Erstling also keine rohe, ungeschliffene Direktheit, die das Debütalbum von The Last Dinner Party so unwiderstehlich macht. Vielmehr liegt der Reiz von "Prelude to ecstasy" im schamlos eklektischen Ansatz bei der Verarbeitung der musikalischen Einflüsse und der unbedingten Exalthiertheit im Vortrag, die zugleich jedoch niemals erzwungen oder ermüdend wirken. An dieser Stelle muss den HipHop-Veteranen von Public Enemy also energisch widersprochen werden: Do believe the hype!

(Michael Albl)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Cesar on a TV screen
  • Sinner
  • My lady of mercy
  • Portrait of a dead girl

Tracklist

  1. Prelude
  2. Burn alive
  3. Cesar on a TV screen
  4. Feminine urge
  5. On your side
  6. Beautiful boy
  7. Gjuha
  8. Sinner
  9. My lady of mercy
  10. Portrait of a dead girl
  11. Nothing matters
  12. Mirror
Gesamtspielzeit: 41:10 min

Im Forum kommentieren

Gilgamesch

2024-07-24 08:20:56

Was war das bitte für eine Inas nacht Folge? Diese Gäste und dann noch LDP? Çüs...

pounzer

2024-07-24 00:58:56

Guter Auftritt. Das viele Touren scheint ihnen gut zu tun.

Kojiro

2024-07-23 22:14:58

Furchtbar.

MickHead

2024-07-23 21:43:46

Letzte Woche live bei Inas Nacht

"Nothing Matters"

https://youtu.be/dY3A3mnKNVM?si=unvwcXBbZ75nBVvI

Mawi09

2024-04-27 17:24:43

Schönes Album, macht Spaß. Erinnert mich manchmal an Marina (früher noch mit Diamonds). Ich mag das etwas dramatische und sehr melodische. Das Songwriting hat aber noch Potential, auch die Texte fand ich häufig nicht so spannend. 7/10

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