Gruff Rhys - Sadness sets me free
Beggars / Indigo / Rough TradeVÖ: 26.01.2024
Melancholie und Alltag
Och nee, macht der Gruff Rhys jetzt etwa Country? So die erste Reaktion. Aber huch, was singt der da: "In the nightclub of my mind, I’m doing cocaine in the cloakroom"? So die zweite Reaktion. Und das sind nur die ersten Momente von "Sadness sets me free". Da haben die himmlischen Streicher und der höllische Refrain des Titelsongs, der das achte Soloalbum des Walisers eröffnet, noch gar nicht eingesetzt.
Bei einer neuen Platte von Gruff Rhys sollte man immer a) erst einmal in Ruhe reinhören und b) das Unerwartete erwarten. Der Kopf der selig ruhenden Super Furry Animals war und ist sowohl bei seiner Band als auch solo stets für Überraschungen gut. Alben mit ganzen Sinfonieorchestern oder sparsam folkig dahingezupft, konzentriert arrangiert oder chaotisch von Genre zu Genre hüpfend, auf Englisch oder auf Walisisch? Alles dabei. Und selbstverständlich ist "Sadness sets me free" auch weit weg von einer Countryplatte. So fängt sie nur an.
Doch bereits im Verlauf dieses Songs galoppiert Rhys in verschiedene Richtungen davon. Mit zuckersüßen Streichern, erhabenem Chorus und einem komplett in Tempo und Stil abweichenden Outro. Um mit dem folgenden "Bad friend" plötzlich an Belle & Sebastian zu erinnern und in knapp dreiminütigem Klavierpop wahre Freundschaft, Panikattacken und walisische Heimatliebe unterzubringen. Überhaupt: Dafür, dass die Albumaufnahmen in nur drei Tagen in Paris im Kasten waren, ist an dieser Produktion alles erstaunlich vielfältig ausgepolstert. Dabei sind das doch "nur" Kontrabass, Schlagzeug, Klavier, ein Streichquartett, einige akustische Gitarren, ein paar E-Gitarren, Pedal Steel und ein bisschen Synthesizer, wie Rhys sagt. Aber gute Vorbereitung und Nacharbeit sind nicht zu unterschätzen. Die Songs wurden mit seiner Band auf der vorherigen Tour erarbeitet und im Nachgang durch Gäste wie das BBC National Orchestra Of Wales und Kate Stables (This Is The Kit) verfeinert.
Und natürlich können solche orchestralen Momente eine Platte veredeln, was hier an mehreren Stellen – wie in "Silver lining (lead balloons)" – besonders schön gelingt. Aber Rhys ist fern davon, dabei zu übertreiben. Eine melancholische Ballade wie "On the far side of the dollar" braucht nicht viel und darf direkt von einem lustigen Cha-Cha wie "They sold my home to build a skyscraper" und einem fast fröhlichen Schunkler wie "Peace signs" fortgesetzt werden. Doch im Kern steht bei aller stilistischen Offenheit ein fokussiertes Songwriting. Und dann steht da plötzlich an achter Stelle "Cover up the cover up", ein so bezaubernd herzergreifender Song, dass einem die Freudentränen kommen. Mit sanften Synthies, gestreichelter Percussion und tupfendem Piano, zu dem Rhys mit Stables duettiert. Befreiende Traurigkeit kann so schön klingen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Sadness sets me free
- Bad friend
- Peace signs
- Cover up the cover up
Tracklist
- Sadness sets me free
- Bad friend
- Celestial candyfloss
- Silver lining (lead balloons)
- On the far side of the dollar
- They sold my home to build a skyscraper
- Peace signs
- Cover up the cover up
- I tendered my resignation
- I'll keep singing
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Armin
2024-01-24 20:37:37- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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