
Madeline Juno - Nur zu Besuch
Embassy Of Music / TonpoolVÖ: 26.01.2024
Ab durch die Mitte
Glas halb voll oder Glas halb leer? Letztendlich immer eine Frage der Betrachtungsweise – und vielleicht auch der Tagesform. Und achja, was hat dieser moralisch-hinterfragende Klassiker eigentlich als Eröffnungsphrase in der Rezension zu "Nur zu Besuch", dem neuen Album der deutschen Singer-Songwriterin Madeline Juno, zu suchen? Nun, gewissermaßen stellt sich diese Frage auch für die inzwischen 28-Jährige nach einer guten Dekade mittendrin im deutschsprachigen Pop-Moloch. Trotz eines durchaus gehypten Debütalbums und konstanter Präsenz hat es bisher nie gereicht, um in die erlauchte Gesellschaft der ganz großen Darlings des überschwemmten Genres aufzuschließen. Einerseits kann man da natürlich hadern und verzagen – zumal Juno auf ihren letzten Werken die englische Sprache wieder ad acta legte; Nähe suchte und offensichtlich bemüht war, die Welle mitzunehmen. Andererseits: Die Fanbase ist da, Touren sind gut besucht. Aber der nervenzehrende Hype bleibt aus. Irgendwo ja auch ein sehr angenehmes Standing? "Nur zu Besuch" schickt sich anno 2023 als sechstes Studioalbum der Sängerin, die eigene Position zu erörtern.
Im Kern zeigt "Nur zu Besuch", wie auch schon seine Vorgänger, die Essenz des Werkes von Madeline Juno aber weitestgehend unverändert auf. Konkret: Auch hier macht die 28-Jährige unmissverständlich klar, dass sie zu den Guten im Deutschpop-Kosmos gehört. Schon das Opener-Duo aus "Sad girl shit" und "Lovesong" gibt sich spritzig, inspiriert und angriffslustig – musikalisch wie auch textlich. "Ich bin nicht wütend auf Dich / Das ist einfach mein Gesicht" kann man als kotzig-trockene Eröffnungszeile definitiv bringen, zumal der Opener auch musikalisch genug Wendungen einstreut, um nicht der Redundanz zum Opfer zu fallen. "Lovesong" bezieht seinen Drive vor allem aus einem munter aufspielenden und äußerst gelungenen Refrain, während Zeilen wie "Ganz by the way / Du bist nicht Timothée Chalamet" oder "Du kriegst 'ne Seite im Buch / Zwischen Werwolf und Crucio-Fluch" das lyrische Spannungsfeld zwischen Coolness und Cringe umfassend ausloten. Clever sind sie allemal. Auch der klassische Breakup-Abfuck-Song "Gewissenlos" und der runde Albumcloser "Nicht ich" gesellen sich in eine gut bestückte Reihe lupenreiner Pop-Songs, die so ganz und gar nicht prätentiös daherkommen und eine erfrischende Abwechslung im Genre-Kontext bieten.
Allerdings: So mitreißend und teils auch bewegend wie die musikalischen Leuchttürme auf "Nur zu Besuch" strahlen, finden sich auch zahlreiche Schattenexistenzen von eher belanglosem Füllmaterial. Besonders in der zweiten Albumhälfte geht der eröffnende Elan von Madeline Juno zusehends verloren und wird durch eine gewisse Ziellosigkeit ersetzt. Nicht, dass es ins Unerträgliche gehen würde – aber Songs wie das eher mittelprächtige "Was zu verlieren" oder das solide, aber unspektakuläre "Lawine" wollen nicht mehr so recht zünden. Einzig der Titeltrack vermag mit seinem angenehm reduzierten Instrumental und Autotune-Salven hier noch ein gekonntes Ausrufezeichen zu setzen. Halb voll oder halb leer also? Ach, scheiß drauf. "Am Ende bleiben Rotweinflecken und 'n paar Haare im Sieb."
Highlights & Tracklist
Highlights
- Sad girl shit
- Lovesong
- Nicht ich
Tracklist
- Sad girl shit
- Lovesong
- Gewissenlos
- Murphy's Law
- Life goals
- Mitte Zwanzig
- Was weiss Ich schon
- Was zu verlieren
- Lawine
- Nur zu Besuch
- Ich sterbe zuerst
- Version von mir
- Versprich mir Du gehst (feat. 1986zig)
- Nicht ich
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Armin
2024-01-24 20:36:40- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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