WIZO - Nichts wird wieder gut

Hulk Räckorz / Edel
VÖ: 05.12.2023
Unsere Bewertung: 4/10
4/10
Eure Ø-Bewertung: 4/10
4/10

Randale, die wie Pupse brennt

Katzen könnten WIZO retten. Im Dezember 2023 lud die ewig lausbübische Spaßpunk-Institution ihre neue Platte "Nichts wird wieder gut" ins Internetz. Ganz ohne Gebrüll. Ausbaldowerte Release-Pläne samt Promo-Tamtam sind schließlich definitiv kein Spaß. Und schon gar kein Punk. Aber viel Fellknäuel packten WIZO dazu, das musste sein. Fast jede Spaßgranate in spe haben WIZO mit Katzenbildern abgesichert, jeden Clip mit Fellnasen bestückt. Die kompletten zwei Minuten Remmidemmi-Punk des Titelsongs glotzt eine Tuxedo-Mieze in die Kamera. Während WIZO "Menschensterben" bejubeln, leckt sich eine weißbraune Jungmiauz das Fell. Und selbst auf das Cover haben WIZO Katzenhaltiges gepackt. Wie kann das sein? Schließlich sind WIZO die Band, die schon mal den "Katzenhass" besang. Auch von Sänger Axel Kurth ist bislang wenig explizite Haustier-Liebe überliefert. Also, wie kommt's? Ruhig, Roter. Aufklärung folgt.

WIZOs neue Platte "Nichts wird wieder gut" ist nämlich eine Punk-Platte wie die Wiederauferstehung des VfB Stuttgart: alles eine Frage von Timing und Taktik. Kurth musste es selbst erfahren: wie WIZO-Songs während des Lockdowns plötzlich Querdenker-Demos aufheizten. Auch so manche Spaßpunkbremse auf "Nichts wird wieder gut" hätte in Lockdown-Zeiten safe wieder von Querdenkern gekapert werden können: "Alles wird hier immer scheißer / Und die Aussichten nicht heiter / Keine Hoffnung, und kein Lichtblick / Doch das stört uns überhaupt nicht", wütet Kurth im Titelstück. Ein typischer WIZO: viel Scheiß und scheißer, viel Potenzial für Wut und Bürgertum. Dabei ist der Song ohne Umdeutung der zornigen Fuckten bloß eine harmlose "No Future!"-Nummer: mit Hoppel-Drums und Knatter-Gitarren. Und einem Grinsen im Gesicht.

Klar: Deutschland befindet sich gefühlt seit zwei Schaltjahren im Dauerkrisen- und Lockdown-Modus, noch immer. Aber jetzt musste "Nichts wird wieder gut" raus. Die größte Überraschung lauert gleich zu Beginn, die Platte ist noch keine Minute alt, ihre Hörer sowieso unendlich viel älter. Der Opener "Grauer Brei" hat sich bis dahin warm gehüpft, in bester NOFX-Tradition den Anschluss von einer Raketenpunk-Harmonie in die nächste gepackt. Dann erhebt sich "Grauer Brei" über seinen Mimimi-Text übers Älterwerden, die Band (oder was von ihr übrig ist) und alle Unwahrscheinlichkeiten hinweg. Und landet im wohl eingängigsten Refrain, den WIZO seit acht Fußball-WMs eingespielt haben. Selbst die Katzen können das kaum glauben, wir schwören. Und zumindest für drei Minuten werden sich alle Ü40-Elefanten auf der Tour wieder wie U14-Hengste fühlen.

Der meiste Rest-Content auf "Nichts wird wieder gut" ist hingegen kulturelle Anmaßung: zu albern, um für alle über 15 lustig zu sein. Oder zu schlicht, um bissig zu sein. "Für den Fame und falsche Freunde / Werden Fakten ignoriert / Für ein paar Likes wird getrollt / Und jeder Shitstorm abonniert." Das könnte die Schülerband sein, die auf der Abifete 2019 Facebook torpediert. Es sind WIZO, die auf ihrer Release-Party 2024 die Schülerband karikiert. "Schönheit des Verfalls" haben WIZO ein weiteres Mimimi mit Ironie übers Grau- und Runzligwerden getauft, maximales Identifikationspotenzial für ihre Ultrakurve inklusive. Und machen vieles wieder kaputt, indem sie öfter "Uuuh-uuuh" und "Ahhh-ahhh" stöhnen als die Brudis auf der letzten Amigos. Wozu also die Muschis? Fellnasen-Bilder machen gude Laune. Immer. Alles Taktik, wie eingangs besprochen. Denn: Ein Leben mit "Nichts wird unmöglich" ist ohne Katzen-Content möglich – aber langweilig.

(Sven Cadario)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Grauer Brei
  • Nichts wird wieder gut

Tracklist

  1. Grauer Brei
  2. Nichts wird wieder gut
  3. Schönheit des Verfalls
  4. Ich war, ich bin und ich werde sein
  5. Schöner wär's
  6. Egal was kommt
  7. Zucker und Fett
  8. Binärbaum
  9. Prokrastination
  10. Early baum
  11. Schlafanzug
  12. Mörderin
  13. Menschensterben
Gesamtspielzeit: 42:18 min

Im Forum kommentieren

jo

2024-01-24 17:15:14

Ich habe es bisher noch nicht gehört, aber ich habe mich etwas gewundert, dass so über "platte Lyrics" gesprochen wird. Ich meine: Wir reden hier ja schon von WIZO, oder? Was wäre daran also neu?

Mawi09

2024-01-24 16:47:07

Finde die Rezension etwas arg hart. Ich hatte Wizo seit der Réunion nicht mehr verfolgt, da das alles nicht so spannend klang. Aber mit dem neuen Album hab ich Spaß. Der Sound ist recht vertraut aber wieder mit mehr Freude und Schmackes serviert. Die Hinwendung zu Themen des Alters finde ich durchaus gelungen.
Meine Highlights sind Nichts wird wieder gut, Schönheit des Verfalls und Schlafanzug. Ich mag sogar das hier so geschmähte Prokrastination.
Einizger Totalausfall für mich ist Zucker und Fett, weder Sound noch Text taugen da was.
Ne solide 6/10 für mich.

All Crips are Bloods

2024-01-16 22:24:13

Ganz schön viel Hass auf alte Menschen in der Rezi. Dürfen die das?

Hoschi

2024-01-15 22:36:42

Ich mag das Teil, bis auf Prokrastination, sehr gerne.
Bin aber auch mit der Band aufgewachsen.
Klar, Quadrat im Kreis und nichts und niemad ist und bleibt mit weitem Abstand vorne aber soooo weit weg zu früher sind die jetzt auch nicht.

Autotomate

2024-01-15 22:08:36

Einen Punkt mehr hätte ich zur Bewertung gepackt und "Binärbaum" noch zu den Highlights.

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