Overkill - Scorched

Nuclear Blast / Rough Trade
VÖ: 14.04.2023
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Weiter, immer weiter

Natürlich war dann auch "The wings of war" kein Hit im engeren Sinne. War irgendwie auch klar – wie immer wird eine Overkill-Platte von Fans wie Kritikern gleichermaßen gefeiert, und wie immer kommt irgendwas dazwischen. In diesem Fall sorgte die Pandemie dafür, dass die Thrash-Veteranen das Album nicht wirklich live präsentieren konnten. Was tatsächlich jammerschade war, denn auch wenn der Vergleich mit vergorenem Rebsaft nun wirklich nicht mal mehr hinkt, sondern nach erfolgreicher Amputation im Rollstuhl sitzt – mit zunehmendem Alter hat die Band aus New Jersey ihren Platz gefunden, ändert ihren Sound nur noch marginal und steht buchstäblich über den Dingen. Dass nun die Zeit zum 20. Album namens "Scorched" mit mehr als vier Jahren tatsächlich der größte Abstand zwischen zwei Veröffentlichungen des Fünfers ist, kann also getrost mit einem Schulterzucken zur Kenntnis genommen werden. Den Veröffentlichungstermin allerdings auf den selben Tag zu legen wie Metallicas "72 seasons", zeugt hingegen entweder von einem gerüttelt Maß an Selbstbewusstsein oder ist mal wieder typisch Overkill. Lasst die mediale Aufmerksamkeit den anderen, so scheint das Credo wieder einmal zu sein.

Woher die Band dieses Understatement nimmt, ist allerdings bereits nach dem ersten Durchlauf der Platte komplett schleierhaft. Warum? Weil diese 51 Minuten zu nicht mehr und nicht weniger als einer Lehrstunde in Sachen Thrash Metal der alten Schule geraten. Der Titeltrack eröffnet mit feinem Gitarren-Intro, bis ein unwiderstehliches Riff gnadenlos davon marschiert, um mit einem Mitgröl-Refrain im Schlepptau zurückzukehren. Das folgende "Goin' home" hingegen schlägt eine Brücke in die ganz frühen Jahre, als Frontmann Bobby "Blitz" Ellsworth gar für ein paar Wochen der Stuhl vor die Tür gesetzt wurde – wegen des zu wilden und exzessiven Lebenswandels. Musste man in der Szene der frühen Achtziger auch erstmal schaffen ...

Tempi passati. Heute gelingt es Overkill, eben nicht zu ihrer eigenen Retro-Band zu werden, vielmehr ist da mehr und mehr der Mut zu Hooks, zu etwas mehr Virtuosität, der Songs wie "The surgeon" oder "Twist of the wick" zu unwiderstehlichen Ohrwürmern wachsen lässt, ohne jedoch im Härtegrad nachzulassen. Natürlich geht das ein wenig zu Lasten der Experimentierfreude, ohne jedoch auf kleine Widerhaken zu verzichten. Da ist dann plötzlich dieser getragene Chor bei "Twist of the wick", dort dieses entspannt swingende Riff von "Wicked place". "Fever" hingegen nimmt brutalst den Fuß vom Gas, grüßt zu Beginn gar dezent Richtung Killing Joke, nur um umso machtvoller die Thrash-Eskalation aufbauen zu können.

Womit die eingangs gestellte Frage nach dem Veröffentlichungstermin parallel zum neuen Metallica-Album nochmals aufzugreifen wäre. Klar ist natürlich, dass beide Bands in unterschiedlichen Ligen mit unterschiedlichen Ansprüchen spielen. Doch während auf der einen Seite bedeutungsschwangere Texte gewälzt werden, jedes Riff mühsam erarbeitet wird, das Album "72 seconds" insgesamt anstrengend und angestrengt scheint, wirken Overkill, insbesondere die auch schon 62 und 64 Jahre alten Antreiber D.D. Verni und Ellsworth unbekümmert, geradezu frisch. Der Fünfer aus New Jersey kann eine bekannt loyale Fangemeinde vorweisen, aber ein Album, mit dem selbst die großen Metallica in die Schranken gewiesen werden, dürften auch die kühnsten Optimisten nicht erwartet haben.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Scorched
  • Twist of the wick
  • Fever
  • Bag o' bones

Tracklist

  1. Scorched
  2. Goin' home
  3. The surgeon
  4. Twist of the wick
  5. Wicked place
  6. Won't be comin' back
  7. Fever
  8. Harder they fall
  9. Know her name
  10. Bag o' bones
Gesamtspielzeit: 51:11 min

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Armin

2024-01-04 21:44:19- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

"Vergessene Perle 2023".

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