Joe Strummer & The Mescaleros - Live at Acton Town Hall

BMG / Warner
VÖ: 18.08.2023
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Death calling

Als Joe Strummer am Abend des 15. November die Bühne betritt, es ist ein Freitag, weiß er nicht, dass sein Leben in 37 Tagen vorbei sein wird. An diesem Abend sind die Straßen Londons trocken, ein leichter Wind weht um die Häuser, aber es ist für November mit zwölf Grad noch mild. Der ehemalige Kopf von The Clash kann sich auf ein Heimspiel freuen in der Acton Town Hall gleich neben Shepherd's Bush. Es ist quasi Strummers Wohnzimmer. In diesem Viertel gehörte er zur Hausbesetzerszene der 70er-Jahre, hier begegnete er seinen späteren Mitstreitern Mick Jones und Paul Simonon, um zusammen die komplette Musiklandschaft Englands umzukrempeln. Hier wurde "London calling" geschrieben. Dieser Abend wird Geschichte schreiben, und er wird glücklicherweise für die Nachwelt erhalten werden. Denn es kündigt sich bereits an, dass dies kein gewöhnliches Konzert mit den Mescaleros werden wird. Im Vorfeld ist durchgesickert, dass Mick Jones anwesend sein wird, ob nur als Gast oder als Mitmusiker, ist noch nicht klar. Aber falls ja, bedeutet es, dass die beiden Gefährten von The Clash nach 20 Jahren das erste Mal wieder zusammen auf einer Bühne stehen werden. Also klemmen pfiffige Fans mit Einverständnis des Tonmannes einen Rekorder an das Mischpult.

Diese Aufnahme geisterte lange lediglich als Bootleg durch die Fangemeinde, 2012 wurde sie zum Record Store Day in ihrer Rohfassung veröffentlicht. Nun liegt endlich eine neu gemischte und gemasterte Version vor, die den Abend gebührend abbildet. Heute wissen wir, was damals passierte: Mick Jones kletterte tatsächlich für die letzten drei Songs mit auf die Bühne und sorgte so für eine fulminante Reunion. Strummer war in grandioser Verfassung und startete das Set mit "Shaktar Donetsk", einer Hommage an den Fußballclub der ukrainischen Stadt – schon allein dies wirkt aus heutiger Sicht wie eine düstere Vorahnung. Aber dann bewegt sich die Setliste zielsicher auf die Wiedervereinigung mit Mick Jones zu. "Rudie can't fail", "Police & thieves", "I fought the law" – Strummer spielt an diesem Abend ausschließlich jene frühen Clash-Songs aus der Ära, als Jones und er noch ein Herz und eine Seele waren. Dazu einige Solostücke mit den Mescaleros. Besonders hervorzuheben ist dabei "Coma girl". Man merkt beim Hören, wie Strummer bei diesem Song erst ausloten muss, ob und wie er live funktioniert. Zu diesem Zeitpunkt ist das Album "Streetcore" noch nicht erschienen, der spätere Hit ist noch ganz frisch, ebenso wie "Get down Moses". Und dann natürlich das Finale zusammen mit Jones in Form von "Bankrobber" und "White riot". Zum Abschluss passenderweise "London's burning" – schließlich ist das Konzert auch noch eine Benefizveranstaltung für streikende Feuerwehrleute in London.

Dieses Konzert heute zu hören, stimmt unglaublich wehmütig. Denn heute wissen wir, Strummer starb zwei Tage vor Weihnachten 2002 mit nur 50 Jahren an einem angeborenen Herzfehler, der zu Lebzeiten nicht entdeckt worden war. Die Veröffentlichung seines damals gerade frisch aufgenommenen, letzten Albums durfte er nicht mehr erleben. Wenn man die Musikwelt in Kategorien einteilen möchte, dann entlang eines Vierviertel-Takts: 1und2und3und4. Die Deutschen klatschen auf 1 und 3, die Briten auf 2 und 4. Joe Strummer klatschte ausschließlich auf "Und". Das machte seine Musik besonders und eine ganz neue musikalische Welt auf, die im sonst verregneten London den Punk mit Reggae mischte. Mit "Live at Acton Town Hall" darf man ein letztes Mal in diese Welt eintauchen.

(Stephan Dublasky)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Rudie can't fail
  • Coma girl
  • Bankrobber (featuring Mick Jones)

Tracklist

  1. Shaktar Donetsk
  2. Bhindee bhagee
  3. Rudie can't fail
  4. Tony Adams
  5. (White man) in Hammersmith Palais
  6. Mega bottle ride
  7. Get down Moses
  8. Police and thieves
  9. Cool 'n' out
  10. Police on my back
  11. Johnny Appleseed
  12. Coma girl
  13. I fought the law
  14. Bankrobber (featuring Mick Jones)
  15. White riot (featuring Mick Jones)
  16. London's burning (featuring Mick Jones)
Gesamtspielzeit: 78:48 min

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Armin

2023-12-21 20:06:26- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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