
Jockstrap - I<3UQTINVU
Rough Trade / Beggars / IndigoVÖ: 03.11.2023
Süßer der Noise nie klingt
Das 2022er-Debüt des britischen Duos Jockstrap, "I love you Jennifer B", war bereits ein "Post"-irgendwas Album, so experimentell und neuartig war das elektronische Pop-Werk. Der Nachfolger, "I<3UQTINVU", ausgesprochen: "I love you cutie, I envy you", soll zwar ein Remix-Werk sein – es ist aber eher ein eigenständiger Geniestreich von Georgia Ellery and Taylor Skye. Deren musikalischer Spiel- und Experimentiertrieb ruht nie, denn seit 2020 hat Skye Soundfetzen von Songs im Jockstrap-Labor zerlegt, zusammengekratzt, neu zusammengesetzt, verzerrt, verfremdet – mit dem Ergebnis, dass die Stücke der aktuellen Platte nichts mit den typischen Remix-Recyclingprodukten der Musikindustrie gemein haben. Da die Nummern kaum auf Originaltracks rückführbar sind, haben sie sinnvollerweise auch neue Namen erhalten. Skye, der als Mastermind die Hände an Synthesizern, Keyboards und Drum Machines hat, vergleicht die Entstehung der Songs auf dem Remix-Album mit "… eating too much and then throwing up and this is what comes out". Es sei ihm nur um den Sound gegangen, das musikalische Material sei dagegen unwichtig gewesen. Heißt übersetzt: zu viele Klangideen, die noch in Skyes Hirn waberten, mussten raus aus dem Kopf und rein in eine neue Platte.
"I<3UQTINVU" gibt eine konsequente Weiterentwicklung des Debüts ab – noch mutiger und unkonventioneller, und dabei unterhaltsam abwechslungsreich. "I'm still learning", kommentiert Skye, und man ist neugierig, wo das nächste Jockstrap-Album wohl ankommen wird. Den Kern des Jockstrap-Identiät hat das Duo beim Zusammensetzen der Töne für den zweiten Longplayer nicht geopfert: die Akustikgitarre, Ellerys zerbrechliche und mitunter nur gehauchte sehr hohe Stimme, der Synthiesound und die alle Gehörnerven mitunter beißenden Dissonanzen sind erhalten geblieben.
Der Opener, "Sexy (feat. Babymorocco)" beginnt mit einem monoton vibrierenden Sound, mündet in tanzbarer EDM, ehe gegen Ende Ellerys Engelsgesang auf den Dancefloor hinabsteigt, klar und hell – was in der Tat wundervoll sexy klingt (gewollt oder ungewollt). Auch das Schlussstück "Sexy 2" schenkt wiederum den zarten Engelsgesang, dieses Mal aber zu Akustikgitarre. Skyes Zersetzungsfreude macht auch vor Ellerys Vocals nicht halt, in der hörenswerten Disconummer "Good girl" wird die Stimme technisch zerstückelt. An die Noiseband Sleigh Bells erinnern die Noiseeinwürfe zu Beginn von "All roads lead to London". An einer Stelle wird der aufmerksame Hörer aber denken: "Ha, doch ein Remix-Album!", denn der Track "I touch" nimmt Akkorde und Text von "Glasgow" auf, allerdings bleibt dieser Bezug das einzige auffällige musikalische Zitat des Erstlingswerks. Mit "Pain is real" und "Red eye" folgen dann Tracks mit etwas Nervpotenzial.
Nach einer kurzen Gesamtspielzeit von nur 31 Minuten hat man ein durchgeknalltes Genrepotpourri gehört, und es bleibt der Eindruck zurück: Was hier an Sound wild zusammengefügt worden ist, klingt trotz der lauten und kratzenden Stellen wegen der einzigartig hellen Stimme der Sängerin dennoch angenehm süß. Was die Band auszeichnet: Jockstrap wagen Neues, ähnlich wie Aphex Twin oder Stereolab in den Neunzigern.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Sexy (feat. Babymorocco)
- Good girl
- Sexy 2
Tracklist
- Sexy (feat. Babymorocco)
- All roads lead to London (feat. Coby Sey and Ersatz)
- Good girl
- I touch
- I feel
- Pain is real
- Red Eye (feat. Ian Starr)
- I noticed you (feat. Kirin J. Callinan)
- Sexy 2
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Armin
2023-12-21 20:06:05- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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