Ghost Woman - Hindsight is 50/50

Full Time Hobby / Rough Trade
VÖ: 24.11.2023
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Zusammen ist der Schatten größer

Er war doch immer so ein fröhlicher Junge und hat immer sonnige Surfmelodien auf seiner Gitarre gespielt. Was ist denn bloß mit ihm passiert? Mit der Fröhlichkeit ist es wohl erstmal vorbei, Evan Uschenko hat sich für die dunkle Seite des Postpunks entschieden. Und passiert ist ihm anscheinend Schlagzeugerin Ille van Dessel. Handelte es sich bei Ghost Woman bisher um ein reines Projekt allein von Uschenko in seinem stillen Kämmerlein, hat er nun van Dessel als festes Mitglied in die Band geholt – zu zweit kann man ja schon von einer Band sprechen. Und diese Zusammenarbeit hat etwas mit dem Sound von Ghost Woman angestellt. Schnell in der Produktion war Uschenko schon immer, "Hindsight is 50/50" ist das dritte Album innerhalb von 18 Monaten. Auch die Vorgängerplatten changieren zwischen Garagenrock, Surf und Country. Herauszuheben ist hier der wundervolle Song "The end of a gun" vom Album "Anne, if", das gnadenlos Chris Isaaks Gitarre von "Blue Hotel" nutzt, um den glasklaren Country in die schmutzige Garage zu ziehen. Jedoch geht Uschenko noch einen Schritt weiter, macht das Garagentor zu, schließt ab und präsentiert im Zwielicht der dunklen Garage zehn neue Songs, die Assoziationen an die Schattenwelt in "Stranger things" aufkommen lassen – es ist alles noch an seinem Platz, aber irgendwie feucht und modrig. In der Dunkelheit kann man nicht abschätzen, wo die Garage eigentlich zu Ende ist, oder ob man schon in einem weitverzweigten Kellerlabyrinth steht. War da gerade ein Tier an meinem Fuss?

Diese Atmosphäre schaffen Uschenko und van Dessel, indem sie die Gitarren in Hall und Verzerrung ertränken, die Gesangslinien eher lakonisch hauchen als singen und das Gesamtwerk dann mit dem Schlagzeug im Zweivierteltakt antreiben, als seien die Tiere aus der Dunkelheit schon hinter einem her. Bereits beim Opener "Bonehead" kommt einem diese Art des Gitarrenspiels seltsam bekannt vor, bis es Klick macht: Dean Fertita von Queens Of The Stone Age und The Dead Weather macht es ähnlich, das ist ja schon mal nicht die schlechteste Referenz. Mit "Alright alright" haben Ghost Woman sogar einen richtigen Hit im Köcher, der sehr harmlos beginnt und sich immer tiefer in die Gehörgänge schraubt, bis er noch Tage später wieder in den Sinn kommt. "Yoko" weist dann jenen treibenden Beat auf, zusammen mit der richtigen Portion Verzerrung, der den Song ideal für nächtliche Autofahrten macht und ihn sofort auf die eigens dazu angelegte Playlist wandern lässt. Der Spaß am Hören wird insofern noch gesteigert, als Uschenko dann auch beginnt, mehrere Gitarrenspuren zu stapeln und übereinanderzulegen, wie in "Juan" – da kommen warme Gefühle auf, bei allen, die auch The Jesus And Mary Chain mögen. "Buik" schließt das Album dann ab, mit einem Gruß an die alte Zeit, als Ghost Woman noch klangen wie ein Ableger der Hippiebewegung, aber auch hier steuert die Akkustikgitarre zielgenau in Richtung des düsteren Abgrunds.

Uschenko bezeichnet die beiden Vorgängeralben "Ghost woman" und "Anne, if" mittlerweile als verbrannte Seiten in seinem Tagebuch. Diese Zeit kommt wohl nicht zurück. Aber mit dem hier vorliegenden "Hindsight is 50/50" zeigen Ghost Woman das Potenzial, vom Projekt zu einer eigenständigen Institution im Garagenrock zu wachsen. Es gibt jedenfalls kein Argument, warum die Band beim nächsten Levitation Festival neben The Black Angels und anderen Artgenossen eine schlechte Figur machen sollte. Ganz im Gegenteil, da wären Ghost Woman wunderbar aufgehoben, und "Hindsight is 50/50" ist die ideale Bewerbung dafür. Es zeigt sich auch, wie stark eine andere Konstellation in einer Band den Sound beeinflussen kann, auch wenn es in diesem Fall nur die Schlagzeugerin ist, die dazukam. Offensichtlich hat das etwas Einschneidendes mit Evan Uschenko gemacht, zumindest ist der Schatten, den die beiden nun zusammen werfen, nicht nur größer, sondern auch von einem sehr tiefen Schwarz.

(Stephan Dublasky)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Alright alright
  • Yoko
  • Juan

Tracklist

  1. Bonehead
  2. Alright alright
  3. Highly unlikely
  4. Ottessa
  5. Along pt.2
  6. Yoko
  7. Wormfeast
  8. Juan
  9. Hindsight 50/50
  10. Buik
Gesamtspielzeit: 41:10 min

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Armin

2023-12-09 21:54:31- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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