
Badmómzjay - Survival mode
Bad Momz / Vertigo / UniversalVÖ: 24.11.2023
Jordy gegen Deutsch-Rap?
Jetzt geht's erst so richtig los. Mit ihrem zweiten Album "Survival mode" macht Badmómzjay ernst, als sei "Badmómz." noch zu nett gewesen. Vom Albumtitel über die zurecht selbstbewusste Promo-Phase bis zu den angriffslustigen Punchlines im gleichnamigen Intro-Track, die Storyline der Platte ist mit Jordan Napieray gegen den Rest der Welt schnell zusammengefasst. Interessanter Ansatz, wo es bei ihr erfolgsmäßig doch deutlich besser läuft als beim Großteil der deutschen Rap-Szene, geschlechtsunabhängig. Sie ist mit gerade mal 21 Jahren Label-Gründerin, überpräsent in der Popkultur und Ikone für eine nicht zu unterschätzende Zahl junger Frauen. Die Alten wundern sich über diesen Hype von roten Haaren und langen Nägeln wie vor knapp zehn Jahren über den Massenausbruch der Shindy-Doppelgänger, und wir reden hier von Größenordnungen à la Vogue-Cover und FIFA-Soundtrack.
Warum der Weg dorthin ein Überlebenskampf war, bleibt auf dem Album selbst jedoch eher Nebensache. Einigen Tracks fehlt inhaltliche Tiefe, der Flex klingt oft erzwungen oder die Selbstüberhöhung nach aufgewärmten Vergleichen, die eher bekannt als beeindruckend erscheinen. To be fair, dafür beweist die Berlin-Brandenburgerin aber gleichzeitig, dass ihre Gesangsstimme und ihr Rap-Flow gleichermaßen mehr als vorzeigbar sind, ihre Performance wirkt stellenweise absolut großartig. Dazu kommt eine durchweg starke Produktion von Lennard "Jumpa" Oestmann, der hierzulande zwar an immer mehr Hits beteiligt ist, doch mit Badmómzjay vielleicht sogar am schönsten harmoniert. Davon abgesehen gilt eh: "Ich könnt 'nen ganzes Album nur mit krasser Message bring'n / Doch steh' auf Tracks mit paar Beleidigung'n und Bässen drin", so zumindest bringt es die Künstlerin im gelungenen "Mh Mh" selbst auf den Punkt. Der Track ist das Beste, was die Platte an Battle-Rap bietet, nicht nur, aber auch dank des fantastischen Feature-Parts von Juju. Letztere disst an einer Stelle beiläufig Fler, schafft das aber in knappen Worten viel souveräner als Kianush oder PA Sports. Wo wir schon beim Generationenkonflikt sind, Badmómzjay nimmt den leidenschaftliche Kampf auf für eine Rap-Szene, in der sie nicht für ihre Bisexualität oder als Frau abgewertet wird. Im Album-Opener kommt das grandios zur Geltung, in Tracks wie "Hallelujah" oder "Yeah hoe" immer mal wieder. Beim zweitgenannten leitet sich der Songtitel von einem Loop der Three 6 Mafia ab, dadurch macht der Track viel Spaß und erweist sich der musikalischen Anlehnung würdig – mal abgesehen von eben solchen Recycling-Lines wie "Female Pimp, deutscher Rap ist wie mein Bordell", um nur eine zu nennen.
Doch nun springen wir vom Himmel des Samplings im Sturzflug zur Hölle der Pop-Wiederverwertung, denn es geht um "Airplanes". Ja, die schlimme Vorahnung stimmt, das ist eine Neuinterpretation des viel zu kitschigen Chart-Hits von B.o.B. mit Hayley Williams, der 2009 schon genervt hat. Noch schlimmer, dass für diese trockene Nummer ein Feature mit Kool Savas (!) verschwendet wurde. Die Gesichter zweier Rap-Generationen, beide Berlin verbunden sowie gesegnet mit Flow-Talent – und dann ernsthaft sowas? Ähnlich tiefgründig gemeint, aber oberflächlich ausgedrückt sind "4 life" und "Keine Tränen", welche musikalisch aber wenigstens angenehmer klingen. So bitter, dass diese Platte allzu oft vielversprechend wirkt, dann aber mehrmals an vermeidbaren Hürden scheitert. "Nur für die Stories" könnte ein lockerleichter Track über das Leben mit abruptem Fame sein, überhebt sich aber an repetitiven Protz-Lines. Bei "Auf die Party" herrscht kaum Enthusiasmus, eher geht es darum, was Domiziana und Badmómzjay beim Feiern nervt, mehr Stimmungskiller als Anheizer. Keiner dieser Songs ist unbedingt schlecht, außer "Airplanes" bietet dieses Album keine musikalische Katastrophe mehr. Angenehm klingt dafür, wie der Closer "How to survive" elegant den Kreis zum Opener schließt und der Platte dabei eine gewisse Ernsthaftigkeit verleiht, die es auf den Tracks dazwischen gerne viel mehr hätte geben können. Auch "Warum bin ich so" beweist, dass sie das ja eigentlich draufhat. Andererseits kann Badmómzjay aktuell eh machen was sie will, der Hype ist bei Weitem nicht vorbei und bei ihren Anlagen noch vieles möglich. Selbst wenn sie sich durchaus überzeugend als Gegenentwurf zum Deutsch-Rap versteht, sie verkörpert die jüngste Generation dieser Szene musikalisch doch beispiellos.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Survival mode
- Mh Mh (feat. Juju)
- Yeah hoe
Tracklist
- Survival mode
- Hallelujah
- Warum bin ich so
- Auf die Party (feat. Domiziana)
- Sag niemals
- 4 life (feat. Takt32 & Vito)
- Yeah hoe
- Mh Mh (feat. Juju)
- Nur für die Stories
- Airplanes (feat. Kool Savas)
- Keine Tränen
- Nie weil ich muss
- Komm mit
- How to survive
Im Forum kommentieren
Armin
2023-12-14 11:39:37
Ist gefixt, danke.
Z4
2023-12-14 10:19:50
Falscher link
Klaus
2023-12-13 20:04:56
Ich finde diese Art von Musik absolut furchtbar.
Heute allerdings (bisschen durch den Text) gelernt, dass sie ja aus einem Dorf hier in der Nachbarschaft kommt, welches ich von meiner sehr laienhaft-leidlichen Fußballkarriere her kenne. Da war es immer sehr hart zu spielen und auch auf den Klamotten der Typen, den Tattoos, den Sprüchen usw. sofort klar, wo man ist.
Wenn jetzt also eine junge Frau von da mal bekannt wird und mit einem davon völlig gegensätzlichen Stil die Kids erreicht und so zum Vorbild wird, damit nicht noch mehr Leute so werden, wie die Typen da aufm Platz, dann ist das nur bestmöglich zu begrüßen.
Armin
2023-12-09 21:53:54- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Spotify
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv
Threads im Forum
- Badmómzjay - Don't trust bitches (2 Beiträge / Letzter am 21.07.2024 - 14:59 Uhr)
- Badmómzjay - Survival mode (4 Beiträge / Letzter am 14.12.2023 - 11:39 Uhr)
- Badmómzjay - Badmómz. (2 Beiträge / Letzter am 21.12.2021 - 07:24 Uhr)