Sébastien Tellier - Politics

Record Makers / Source / Labels / Virgin / EMI
VÖ: 19.01.2004
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Reformmotor

Ziemlich untergegangen ist ja neulich auch der zehnte Todestag von Frank Zappa. Wer Glück hatte fand vielleicht in irgendeinem Musikmagazin eine kleine Randnotiz. Die ernsthaften Journalisten aber machten sich gar nicht erst die Mühe, ihre Feuilletonseiten angemessen vollzuweinen. Zappa wurde vergessen. Nur von einem nicht. Sébastien Tellier. Ein kleiner verrückter Franzose, der sich aufmacht, daß Erbe des großen Frank anzutreten. Vielleicht war er deshalb in diesem Jahrtausend noch nicht beim Friseur. Man weiß es nicht. Und vielleicht geht sein Album "Politics" deshalb mit einem Lied los, das den Meister zum Lachen gebracht hätte.

Berichten wir aber zunächst vom großen Vergnügen, diesen Sébastien Tellier einmal live zu erleben. Das geht dann so, das der - einerseits von Kopf bis Fuß zugewachsen, andererseits aber im Smoking - auf die Bühne schlürft, einen Cognacschwenker leert und sich auf einem kleinen Stuhl niederläßt. Zu seiner Linken erscheint eine zierliche blonde Frau namens Pamelia im bodenlangen Abendkleid. Sie widmet sich sogleich ihrem Instrument (ein Theremin). Und dann geht es los. Tellier wickelt sich um seine Gitarre, zuckt mitunter wie ein Aal und dreht französisches Liedgut durch die Schrottpresse. Eiernde Folksongs, entstellte Chansons und plötzlich Krach. Pamelia fällt um. Tellier geht. Ende.

Klingt nett, oder? Aber zurück zur Platte. "Politics" heißt sie ja nun, dealt aber nicht mit Steuerkonzepten und Arbeitslosenquoten, sondern mit den Belangen des kleinen Mannes. Personal politics, wenn man so möchte. Und ziemlich global gedacht. Jedes Lied pickt sich die Geschichte irgendeines Menschen raus, gesungen wird mehrsprachig und musiziert in jeder Stilrichtung, die es gibt oder irgendwann mal geben könnte. Die bereits erwähnte Zappa-Hommage "Bye bye" geht zum Beispiel mit schrägem Gebläse von links los und rappelt sich doch noch zum ziemlich tollen Luxus-Popsong auf. Und "La tuerie" kehrt die Überreste eines zerbrochenen Beats zu einem Instrumental über Bürgerkriegsfolgen in Afrika zusammen. Ja, so was geht.

Natürlich steht hier ganz groß "Trash" drauf, einmal quer mit Edding drübergeschrieben. Und natürlich kann das nicht alles Telliers Ernst sein. Oder doch? Festzuhalten bleibt aber: Auf jeden Hand-vor-die-Stirn-Moment kommen mindestens zwanzig absurde Ideen, die voll ins Schwarze treffen. Der lichterloh entflammte Synthesizer im wildgewordenen Rausschmeißer "Zombi". Die triefendnasse Revueeinlage "Broadway". Und schließlich "Mauer", der deutsche Beitrag in diesem Multikulti-Eintopf. Zum Quengeln eines kaputten Keyboards beklagt ein ostdeutsches Mädchen den Mauerfall. Wir zitieren: "Mauer, ich konnte solang Tennis spielen / Leider Du bist nicht mehr da / Jede Veränderung bringt Leid." Zitat Ende. Rezi auch.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Bye bye
  • Broadway
  • Mauer
  • Zombi

Tracklist

  1. Bye bye
  2. League chicanos
  3. Wonderafrica
  4. Broadway
  5. La ritournelle
  6. Lenny
  7. Slow lynch
  8. Mauer
  9. La tuerie
  10. Ketchup vs genocide
  11. Zombi
Gesamtspielzeit: 40:13 min

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