
Lost Frequencies - All stand together
RCA / SonyVÖ: 10.11.2023
Twerkschaft Solidarität
"Das tangiert mich maximal peripher." Klingt besser als "Das geht mir knapp am Arsch vorbei", ne? Moral: Auch der schalste Sachverhalt glitzert, wenn man ihn nur schick genug ausdrückt. Auftritt Felix de Laet. Der will mit seinem Projekt Lost Frequencies "eine neue Betrachtungsweise auf Tracks bieten, die vielleicht schon vergessen worden sind". Will heißen, dass der Belgier fremde Musik mit housig-technoiden Mitteln renoviert und sich damit genau genommen auf die Fahnen geschrieben hat, alten Wein in neuen Schläuchen unters Volk zu bringen. Zum Glück schreibt de Laet inzwischen auch eigene Songs – und wer zahlreiche Airplay-Hits, drei Alben und riesige Festivalauftritte verbuchen kann, dem gibt mindestens der Erfolg Recht. Genau wie die 2014er-Debütsingle "Are you with me", eine stimmungsvolle Interpretation eines in der Tat vergessenen Country-Songs.
Schon da war zu erahnen, dass es sich beim 29-Jährigen eher um einen Feingeist handelt – erst recht im Vergleich mit dem ultra-unsubtilen EDM-Grobian David Guetta oder gegenüber Kygo, der einmal Tina Turners "What's love got to do with it" verunstaltete. Zwar macht de Laet strukturell wenig anders, hat aber die deutlich besseren Songs im Gepäck und kennt seine popkulturellen Pappenheimer. Entsprechend beginnt "All stand together" nicht mit maximal großkariertem Aufriss-Bums, sondern mit dem neo-souligen "No limit", das wohl nicht zufällig ein Piano im Stil von James Blakes "Limit to your love"-Fassung mit pointierten elektronischen Details und Textzitaten aus Coolios "Gangsta's paradise" vertwerkt. Nein, der Lost-Frequencies-Mann will keiner von denen sein, deren gleichgeschalteten Dance-Mampf man weder auseinanderhalten kann noch will.
Natürlich drängt auch dieses Album in den Club und kommt dabei problemlos am Türsteher vorbei, feiert das im Titel festgeschriebene Gemeinschaftsgefühl aber im Sinne einer weltumspannenden Solidarität statt mit zügellosem Hedonismus, bei dem sich am Ende der Party niemand mehr erinnern kann, warum man eigentlich hier war. Am besten funktioniert diese Grundausrichtung in den wortreicheren Stücken mit emotionaler Tiefenschärfe und berufenen Features – paradoxerweise weniger ausgerechnet im Titelstück, dessen humanistisches Mantra lediglich eine flotte Behauptung bleibt. Weitaus infektiöser wirken der fidele Piano-House von "Dive", obwohl Tom Gregory nicht viel Gehaltvolles singt, oder das mit düsteren Twangs aufgeraute "The feeling", dem man sogar die etwas generische Whistle-Einlage verzeihen möchte. Kann ja mal vorkommen.
Besonders interessant wird es, wenn de Laet zur Genüge beackerte Pfade verlässt und sich Verwerfungen leistet. Das kann wie beim Breakbeat-Ausfall "Leave you in the past" schon mal ins Auge gehen, kommt aber in "Just wanna know" inklusive zuckendem Faithless-Gedächtnis-Break umso besser zur Geltung. Ein elektrifizierter Folk-Hüpfer mit weiblichen Vocals? Kennt man seit "Addicted to you" von Avicii, variiert "Back to you" auch dank Elly Duhé aber ganz wunderbar – vermutlich das am meisten tangierende, pardon, berührende Stück, an dem die Sülzwurstkaiser X Ambassadors je beteiligt waren. Und das schlanke Hook-Monster "Where are you now" muss man ohnehin ganz unironisch lieben. Memo zum Schluss mit "Fall at your feet": Auch an Dream Trance war damals nicht alles schlecht. An "All stand together" hingegen ist ziemlich viel gut.
Highlights & Tracklist
Highlights
- No limit (with Zak Abel)
- Back to you (Elly Duhé & X Ambassadors)
- Where are you now (with Calum Scott)
Tracklist
- No limit (with Zak Abel)
- All stand together
- Dive (with Tom Gregory)
- Back to you (Elly Duhé & X Ambassadors)
- The feeling
- Leave you in the past (with Netsky)
- Just wanna know (with Declan J Donovan)
- Where are you now (with Calum Scott)
- Gone (with Alexander Stewart)
- Fall at your feet
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Armin
2023-11-15 20:55:19- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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- Lost Frequencies - All stand together (1 Beiträge / Letzter am 15.11.2023 - 20:55 Uhr)