Ren - Sick boi

The Other Songs / Membran
VÖ: 13.10.2023
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Kammerspiel und großes Kino

Ein Mann im Patientenhemd wird von einem Typen mit Metzgerschürze und Schweinemaske mit dem Rollstuhl in einen Kellerraum geschoben. Ersterer beginnt auf seiner Gitarre zu spielen und trägt einen Dialog vor, ein Zwiegespräch mit sich selbst. Offensichtlich kämpft der Protagonist mit seiner gespaltenen Persönlichkeit, die Stimme wechselt von ätzender Aggressivität zu defensiver Unsicherheit. "Hi Ren" heißt dieses neunminütige Stück und das beklemmende Musikvideo dazu hat einen Hype um den Künstler ausgelöst. Im Dezember 2022 hochgeladen, verzeichnet es elf Monate später bereits mehr als 20 Millionen Views.

"Hi Ren" wurde trotz bescheidener Mittel perfekt inszeniert und ist mehr Kammerspiel als HipHop-Video. Diese Inszenierung und Perfektion führt Ren auf seinem zweiten Studioalbum "Sick boi" konsequent fort. Der Waliser feilt an jeder einzelnen Silbe und Intonation. Sein Storytelling erinnert an den frühen Eminem, sein wilder, aggressiver Rap-Stil an Keith Flint von The Prodigy. Im furiosen "Money game Pt. 3" entwirft Ren eine filmreife Geschichte über den Aufstieg eines Wunderkinds, das sich in Kriminalität und Drogensucht verliert. Er rappt über ein klassisches Piano und getragene Streicher, der Track mündet in einer Art Poetry Slam. Im Titeltrack beschreibt der 33-jährige Brite seinen Kampf gegen Borreliose und seine Frustration über Rückschläge und medizinisches Versagen. Es dauerte fast acht Jahre, bis die Krankheit bei Ren diagnostiziert wurde, momentan wird er von Spezialisten in Kanada behandelt. Im Opener "Seven sins" schildert der Musiker seinen Leidensweg und das Leben voller Schmerzen. Der Track beginnt mit verzerrtem walisischem Gesang, das Martyrium wird durch ein Wechselspiel aus klassischen Instrumenten und sterilen Drill-Sounds vertont.

Nicht alle 18 Tracks werden von Melancholie und Wut bestimmt: Bei "The hunger" beweist Ren ein Faible für Oldschool-HipHop à la KRS-One und Beastie Boys. "Murderer" greift den gleichnamigen Song von Barrington Levy auf und führt ihn mit einem eingängigen HipHop-Beat ins Hier und Jetzt. Ren präsentiert in Videos und auf Fotos gerne seinen athletischen Oberkörper, und auch musikalisch lässt er sich zur oberflächlichen Selbstdarstellung "Illest of our time" hinreißen. Der Track ist ebenso verzichtbar wie das poppige Liebeslied "Uninvited". Ganz anders "Suic*de", bei dem der Waliser singt und lakonisch rappt, bis er nach knapp zwei Minuten intensiv und tränenreich einen Freund adressiert, der sich das Leben genommen hat. Auch "Animal flow" ist, samt atmosphärisch dichtem Musikvideo, ein dunkles, vibrierendes Kunstwerk. "I've been making some progress lately and I've learnt some new coping skills", rappte er in "Hi Ren". Der Fortschritt in seinem Schaffen ist nicht zu überhören, seine Musik offensichtlich eine bestens funktionierende Bewältigungstherapie.

(Andreas Rodach)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Sick boi
  • Animal flow
  • Murderer
  • Suic*de

Tracklist

  1. Seven sins
  2. Sick boi
  3. Animal flow
  4. Money game, pt.3
  5. Lost all faith
  6. Genesis
  7. Murderer
  8. Suic*de
  9. Illest of our time
  10. Love music, pt.4
  11. Uninvited
  12. What you want
  13. The hunger
  14. Down on the beat
  15. Masochist
  16. Loco
  17. Wicked ways
  18. Sick boi, pt.2
Gesamtspielzeit: 65:00 min

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Armin

2023-11-15 20:55:29- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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