Doro - Conqueress – Forever strong and proud

Nuclear Blast / Rough Trade
VÖ: 27.10.2023
Unsere Bewertung: 4/10
4/10
Eure Ø-Bewertung: 3/10
3/10

Rock believer

Bei manchen Künstler*innen müssen heutzutage vermutlich gewisse Disclaimer an eine Rezension angehängt werden. Von wegen Respekt vor der Lebensleistung und so. Und im Grunde ist das schon mal ein sehr sicheres Zeichen dafür, dass fürderhin nicht arg viel Gutes zu erwarten steht. Aber bei Doro Pesch klaffen Ansehen der Vergangenheit und der Gegenwart nun schon geraumer Zeit auseinander, deshalb hier – tadaa! – der berüchtigte Disclaimer. Fest steht nun mal, dass die gebürtige Düsseldorferin schon zu einer Zeit im Metal-Business mitmischte, als Frauen in der testosterongeschwängerten Szene bestenfalls belächelt wurden. Wenn sie denn Glück hatten. Und während auf der anderen Seite des Atlantiks Lee Aaron oder Lita Ford eher dem erdigen Hardrock frönten, knallte Pesch mit ihrer Band Warlock den zunächst lästernden, später staunenden Fans brettharte Metal-Platten wie das immer noch legendäre "Burning the witches" vor den Latz. Und für die Hormone gab's das knallenge Lederoutfit noch obendrauf, aber hey, so war es damals nun mal.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es Doro nicht eben an Sendungsbewusstsein mangelt. Und so schleichen sich zwischen den längst nicht mehr erforderlichen Compilations aufgeblähte Album-Monster wie 2018 "Forever warriors, forever united" ein, die so viel Füllmaterial aufweisen wie ihre berüchtigten minutenlangen Monologe auf der Bühne. Eine Frau, ein Wörterbuch. Machen wir's kurz und schmerzlos – ihr 14. Album namens "Conqueress – Forever strong and proud" macht da leider überhaut keinen Unterschied. 15 Songs in 55 Minuten fordern schon mal Sitzfleisch – und wer davon immer noch nicht genug bekommen kann, der darf sich gerne noch zusätzlich die fünf Bonustracks der Special Edition gönnen. Puh.

Doch siehe da, der Opener "Children of the dawn" reckt selbstbewusst die Fäuste und lässt den Refrain derart gekonnt ohrwurmen, dass man sich tatsächlich nach kurzer Zeit beim Mitsingen ertappt. Das folgende "Fire in the sky" drückt zwar das Gaspedal mit Schmackes durch, verstört dann aber mit seltsam verfremdeten Vocals im Refrain – ob nun der Produzent übermotiviert war oder Doro tatsächlich mittlerweile elektronische Hilfe benötigt, liegt wohl im Ohr des Betrachters. Hörbar leichter tut sie sich jedenfalls bei der Coverversion des zugegebenermaßen technisch auch nicht übermäßig anspruchsvollen "Living after midnight" von Judas Priest, auch wenn Gastsänger Rob Halford mit seinen 72 Jahren deutlich frischer klingt als die 13 Jahre jüngere Kollegin.

Danach könnte man eigentlich die Platte als passable EP abhaken, eintüten und zur Tagesordnung übergehen. Klar, "All for you" oder "I will prevail" stampfen noch sehr entschlossen und ruppig voran, kranken aber an den grenzdebilen Lyrics voller Klischees, während "Lean mean rock machine" zu einem zünftigen Banger wächst. Man hat die Düsseldorferin schon weniger wuchtig erlebt. Danach wird es allerdings hart. Allerdings nicht im musikalischen Sinne. "Bond unending" hat nämlich nichts mit 007 zu tun, sondern ist ein geradezu indiskutabel mieses Duett mit Broilers-Frontmann Sammy Amara, und wenn schon miserable Klischees bedient werden sollen, darf "Fels in der Brandung" ebenfalls seinen Beitrag leisten. Wenn der Schädel im Takt der süßlichen Ballade auf die Tischplatte knallt, ist das auch eine Art von Headbanging, oder?

Das abschließende "Total eclipse of the heart" (ja, genau das ...) verdient im Gegensatz zu seinen belanglos dahinplätschernden Vorgänger-Songs dann doch noch ein genaueres Ohr. Klar, mit Metal hat das null zu tun, aber dass Doro Pesch sehenden Auges ausgerechnet hier in das Duett mit Rob Halford geht – Stimmumfang etwa viereinhalb Oktaven – und sich folgerichtig vom Metal God in Grund und Boden singen lässt, nötigt schon Respekt ab. Respekt ist allerdings auch das einzige, was "Conqueress – Forever strong and proud" vor dem Totalverriss bewahrt. Denn man kann mittlerweile vieles an Doros Studioalben kritisieren, ablehnen gar. Doch selbst in den Sümpfen der Belanglosigkeit der zweiten Albumhälfte stellt die 59-Jährige ihr Herzblut unter Beweis, zeigt, wie sehr sie ihre Nische, ihren Ruf als Metal-Queen liebt und lebt. Eigentlich möchte man ihr deshalb so ein fulminantes Spätwerk wünschen, wie es den Scorpions mit "Rock believer" gelungen war. Bis dahin tut Doro vermutlich besser daran, ihr unbestrittenes Erbe für den Heavy Metal zu pflegen, anstatt verzweifelt neue Belangslosigkeiten auf den Markt zu werfen.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Children of the dawn
  • I will prevail

Tracklist

  1. Children of the dawn
  2. Fire in the sky
  3. Living after midnight (feat. Rob Halford)
  4. All for you
  5. Lean mean rock machine
  6. I will prevail
  7. Bond unending (feat. Sammy Amara)
  8. Time for justice
  9. Fels in der Brandung
  10. Love breaks chains
  11. Drive me wild
  12. Rise
  13. Best in me
  14. Heavenly creatures
  15. Total eclipse of the heart (feat. Rob Halford)
Gesamtspielzeit: 55:18 min

Im Forum kommentieren

Autotomate

2023-11-28 19:39:55

Klar, du bist ja auch forever invincible und taperst hier schon seit ever und forever strong und proud als PT-Warrior durchs Forum, der selten, also never surrendert. Könnte ich mir also schon vorstellen.

Mr Oh so

2023-11-28 19:14:43

Falls Doro irgendwann mal die völlig klischeehaften Titel ausgehen, würde ich mich als neuer Texter zur Verfügung stellen.

Armin

2023-11-15 20:54:50- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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