Fuzzman - Willkommen im Nichts

Lotterlabel / Sony
VÖ: 13.10.2023
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Nichts verkehrt

Herwig Zamernik ist nicht anfällig für Langeweile. Mit Naked Lunch schrieb er einst österreichische Indie-Rock-Geschichte, als Produzent veredelte er Alben von Kreisky oder Ansa Sauermann. Außerdem ist der musikalische Tausendsassa Begründer und Kurator seines eigenen, sehr empfehlenswerten Festivals Fuzzstock. Vor allem jedoch veröffentlichte Zamernik seit 2005 acht Alben unter dem Moniker Fuzzman, die mit Folk, Chanson und Schlager flirten, sich dabei jedoch allzu einfachen Genre-Zuschreibungen verweigern, beziehungsweise entsprechende Erwartungen nonchalant unterlaufen. Bereits ein Blick auf die Tracklist verrät, dass die neue Platte "Willkommen im Nichts" mit einer gewissen Gravitas daherkommt: Trotz Songtiteln wie "Kein Glück", "Schrecken" oder – immerhin – "Am Überleben" verfällt Zamernik jedoch keinesfalls dem Nihilismus, sondern lässt vielmehr Raum fürs Neben- und Miteinander von Melancholie und Hoffnung. So ist auch das "Nichts" im Titel ja nicht zwangsläufig klaffende Lücke, sondern gleichzeitig auch erlösendes Nirvana.

"Willkommen im Nichts" lautet auch die erste Zeile des Openers "Nur Krieg für Dich", die zumindest musikalisch nicht irreführender sein könnte. Inhaltlich eine Abrechnung mit Egomanentum und vielleicht auch dem christlichen Heilsversprechen, ist der Song hymnisch opulent arrangiert und erinnert an Glanztaten von Naked Lunch wie etwa "Military of the heart". Zu Klavier und schwermütigen Streichern sinniert "Kein Glück" lyrisch fast wie Gedichte des Expressionismus über die Vergänglichkeit: "Und draußen, da schlagen sich die Glocken wund / Die Tage werden kürzer / Und wir stumm." Spätestens die Chris-Martin-Gedächtnis-Uuhs im Falsett lassen dabei auch an einen frühen Coldplay-Song denken, was in dem Fall eine gute Sache ist. Ohne plakativ politisch zu werden, geht Zamernik in "Die Verworrenen" und dem Folk-Schunkler "Die letzten Idioten" hart mit manchen Mitmenschen ins Gericht: "Ich will den ganzen Müll, den die reden, nie mehr wieder hören." Sich selbst nimmt er da zwar gar nicht aus, aber trotzdem wäre es für Fuzzman schöner, "wenn wir hier die letzten Idioten wären".

Der in Wien geborene Zamernik wuchs im Bundesland Kärnten auf und widmet, ähnlich und doch ganz anders als einst Rainhard Fendrich, mit "I am from Austria", seiner Kärntner Heimat eine ganz persönliche Hymne. Statt stumpfen Heimatstolz zu zelebrieren, lässt "Mein Südland" jedoch viel Raum für Ambivalenz und verarbeitet dabei auch lyrische Versatzstücke aus der tatsächlichen Kärntner Landeshymne. Den ergreifendsten Moment des Albums bildet die elegische Pianoballade "Schrecken", ein Chanson wie eine Trauerweide, der jedoch in einer hoffnungsvollen Erkenntnis mündet: "Der Schrecken endet dort, wo wir verzeihen." Fast wie ein emotionaler Reset per Urschreitherapie folgt an dieser Stelle die Coverversion des einsekündigen "You suffer" von Napalm Death. Zamerniks erste Band war die Death-Metal-Formation Disharmonic Orchestra, sodass die mit seinen drei Söhnen eingespielte Fassung dieses musikalischen Witzes zumindest biografisch durchaus Sinn ergibt.

Jenseits der Lärmsekunde wartet mit "Komm wir drehn noch eine Runde" eine herzerwärmend anrührende Liebeserklärung an ein das Elternhaus verlassendes Kind, wobei das schmissige Arrangement und Fuzzmans unaufgeregter Vortrag dafür sorgen, dass jegliche Kitschgefahr gebannt bleibt. Der augenzwinkernd kapitalismuskritische Indie-Rocker "Aber nein" mit mitreißendem Orgel-Groove sorgt ebenfalls für Uptempo-Abwechslung. Auf dem Vorgänger "Endlich Vernunft" hieß einer der besten Songs "Da ist doch nichts verkehrt". Dieser Einschätzung lässt sich auch jetzt wieder nachdrücklich beipflichten.

(Michael Albl)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Nur Krieg für Dich
  • Kein Glück
  • Komm wir drehn noch eine Runde

Tracklist

  1. Nur Krieg für Dich
  2. Kein Glück
  3. Die letzten Idioten
  4. Am Überleben
  5. Mein Südland
  6. Schrecken
  7. You suffer
  8. Komm wir drehn noch eine Runde
  9. Aber nein
  10. Die Verworrenen
  11. Einer von mir
Gesamtspielzeit: 32:01 min

Im Forum kommentieren

peter73

2024-02-19 08:18:21

Fuzzman & the Singin' Rebels
- WILLKOMMEN IM NICHTS TOUR 2024 -

09.03. – Cselley Mühle, Oslip, AT
12.03. – Studio 12, Passau, DE
13.03. – Galao, Stuttgart, DE
14.03. – Spielboden, Dornbirn, AT
15.03. – Kradhalle, Ulm, DE
16.03. – Trafo, Jena, DE
18.03. – Ostpol, Dresden, DE
19.03. - Prachtwerk, Berlin, DE
20.03. – Lux, Hannover, DE
21.03. – Nochtwache, Hamburg, DE
22.03. – Die Wohngemeinschaft. Köln, DE
23.03. – Café Festung, Traunstein, DE
05.04. - Kino, Ebensee, AT
06.04. - Röda, Steyr, AT
01.05. – Stadtsaal, Wien, AT

https://www.facebook.com/www.fuzzman.fm

Huhnmeister

2024-02-18 10:37:03

Fuzzymass

Sloppy-Ray Hasselhoff

2024-02-17 19:46:45

>Gibts Naked Lunch eigentlich noch?<

Sind noch aktiv, wenn auch nicht mehr sehr produktiv.

Immermusik

2024-02-17 17:51:07

Obwohl großer Naked Lunch Fan habe ich Fuzzman erst mit diesem Album entdeckt.
Gibts Naked Lunch eigentlich noch? Und welches Fuzzman Album ist noch empfehlenswert?

peter73

2023-12-12 08:21:07

i <3 fuzzi.

neues album auch ein schönheit; v.a. die erste hälfte!
die alten sachen und videos sind solche perlen, die man einfach mögen muss.

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