Kiki Bohemia - Those are not songs

Blank / Broken Silence
VÖ: 20.10.2023
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Musik für sich

Als der Rezensent zum ersten Mal nach Kiki Bohemia auf YouTube suchte, fand er den Song "Lonely people". Er hatte damals exakt 13 Aufrufe. Seitdem dürften allein durch den Verfasser dieser Zeilen 30 dazugekommen sein. Denn "Lonely people" steht sinnbildlich für "Those are not songs", das neue Album der Berliner Künstlerin. Er ist eigenartig, eigentümlich, aber gleichzeitig wunderschön. Ein besonderes Stück Musik. Kiki Bohemia, die bürgerlich Karla Wenzel heißt, ist ein fester Bestandteil der Berliner Szene, wobei ihr letztes Soloalbum bereits fünfzehn Jahre zurückliegt. Untätigkeit ist ihr jedoch fremd, sie ist in diversen Musik- und Theaterprojekten aktiv. Dennoch erscheint "Those are not songs" praktisch im Vakuum. Die eingangs erwähnten Aufrufzahlen lassen grüßen.

Das ist verdammt schade, denn Kiki Bohemias Musik verdient es, gehört zu werden. Ihr orchestraler Electropop bedient sich gleichermaßen bei Ambient und Berliner Schule, auch Erinnerungen an Kate Bush und Nico werden bisweilen geweckt. Vor letzterer verneigt sich Bohemia in Form einer grandiosen Coverversion von "Frozen warnings", das seinerzeit auf "The marble index" für niedrigere Raumtemperaturen gesorgt hatte. Freilich erreicht Bohemias Stimme nicht die Abgründe der originalen Interpretin, das muss sie aber auch gar nicht. Angenehm unprätentiös rezitiert sie den Text, während die Musik sich dem Himmel entgegenwindet. Im Finale brechen schließlich alle Dämme, der Rest ist Glückseligkeit.

Was Bohemias Musik so besonders macht, ist die Selbstverständlichkeit, mit der die Künstlerin agiert. Nichts wirkt verkrampft oder gar erzwungen, alles fließt. Ein Musterbeispiel hierfür ist der Eröffnungstrack "Mundane": In Verzerrung getünchte Akkorde bilden die akustische Grundlage für einen Song, der voll und ganz in sich ruht. Mit simplen, aber ungemein effektiven Mitteln erhöht die Künstlerin im Refrain die Intensität, ohne ihr Blatt zu überreizen. Nicht immer erreicht die Musik diese emotionale Wucht, schlechter sind Songs wie das augenzwinkernde "High in the man castle" und das versöhnliche "Dough & dynamite" deswegen aber nicht.

Ihr Können als Arrangeurin zeigt Bohemia auch in den Zwischenstücken "Zodiac" und "Eno", wobei der Titel des letztgenannten Programm ist: Ganz im Geiste des Ambient-Urvaters türmen sich die Klänge übereinander, wer nun an Bowies "Low" denkt, sollte "Those are not songs" auf jeden Fall eine Chance geben. Und dann ist da noch "To the wonder". Nach einem Spoken-Word-Intro beginnt der eigentliche Song mit ein paar dahingehauchten Worten und Akkorden, ehe der große Krach losbricht. Und was für ein herrlicher Krach das ist. Verzerrte Synthies, jubilierende Streicher, Feedback-Loops, dazu Bohemias entrückter Gesang. Woher kommt das alles? Warum ist das so verdammt gut? Fragen, die letzten Endes gar nicht beantwortet werden müssen. Denn die Musik spricht für sich.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • To the wonder
  • Lonely people
  • Frozen warnings

Tracklist

  1. Mundane
  2. To the wonder
  3. Lonely people
  4. Zodiac
  5. High in the man castle
  6. Eno
  7. Frozen warnings
  8. Dough & dynamite
Gesamtspielzeit: 37:20 min

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Christopher

2023-11-06 16:33:12

Muss das mal schamlos bumpen. Für mich eine der schönsten Überraschungen des Jahres. Wer grob etwas mit Electropop / Ambient anfangen kann, sollte hier mal reinhören. Ich war kurz davor, ne 9/10 zu vergeben, weil das Album in sich so schlüssig klingt. Dafür hat es letzten Endes dann doch nicht gereicht, aber ne starke 8 ist es allemal.

Armin

2023-11-01 20:54:34- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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