Bombay Bicycle Club - My big day

Mmm... / AWAL / Membran
VÖ: 20.10.2023
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Sunny side up

Feierliche Fanfaren tröten, die Percussion zappelt aufgeregt im Hintergrund, nur um bald selbst jubelnd losmarschieren zu dürfen. Kurz darauf übernehmen jedoch Laptop-Seufzer und Züge aus der digitalen Heliumflasche das Ruder, als wäre die Parade von Hyper-Pop-Aktivist*innen gekapert worden. Nun waren Bombay Bicycle Club noch nie auf einen eingezäunten Stil fixiert: Nachdem sie dem Indie-Rock der Nullerjahre mit dem famosen Debüt "I had the blues, but I shook them loose" ein letztes großes Aufbäumen schenkten, experimentierten sie im Anschluss viel mit Weltmusik und anderen Einflüssen. Was so alles in den zwei Minuten von "Rural radio predicts the rapture" passiert, einem Interlude-ähnlichen Track auf ihrem sechsten Album "My big day", ist allerdings ein guter Indikator dafür, dass sich die Band um Jack Steadman noch weiter nach draußen wagt als zuvor. Die Biederkeit des vergleichsweise sehr auf Nummer sicher gehenden Vorgängers "Everything else has gone wrong" streifen sich die Briten bereits mit einer Gästeliste ab, die unter anderem Damon Albarn mit, of all people, Chaka Khan unter einen Hut bringt. Gemeinsam zeigen sie, was sich für ein eigenwilliger Strauß querbeet wachsender Gute-Laune-Blüten im Jahr 2023 unter dem Label "Indie-Pop" verbergen kann.

Ein Teil der Abenteuerlust lässt sich dabei sicher auf Steadmans HipHop-nahes Solo-Projekt Mr Jukes zurückführen. Im eröffnenden "Just a little more time" umspielt der Vierer locker einen Kopfnicker-Beat mit dezent nahöstlich anmutenden Keyboards und lässt sich nicht mehr Worte als die namensgebende Zeile entlocken. Auch der Titeltrack verbringt den großen Tag lieber im Bett, kontrastiert seinen ChillHop jedoch mit einem abgehackt rauschenden Refrain. Wesentlich mehr Krach veranstaltet "I want to be your only pet": "God in my pocket, I'm fine", verkündet Steadman, während die plötzlich entfesselten Drums dieses Stück spacigen Psych-Punks bis zu einem ungemein intensiven Finale hetzen. Doch Bombay Bicycle Club loten nicht nur aus, wie sie als Noise-Band klingen könnten, sie erschließen sich auch neue Wohlklangs-Sphären. "Heaven" wird seinem Namen mehr als gerecht, döst erst wieder auf dem halbelektronischen Sonnendeck, um mit dem Einsatz von besagtem Albarn aus allen Orchester-Wolken zu fallen. Ein weiterer Ritterschlag für Steadman und Co., die 2014 das allerletzte Konzert im legendären Earls Court spielen durften – und wenn zuvor bereits die Karussell-Gitarren im von Jay Som unterstützten "Sleepless" lostorkeln, wirkt es fast so, als hätte sich heimlich noch ein anderes Blur-Mitglied aufs Album geschlichen.

Am meisten nach klassischen Bombay Bicycle Club, wenn es denn so etwas gibt, klingt der perlende Akustik-Pop von "Turn the world on", den die Erfahrungen des eigenen Elternseins speisen. Nach diesem kleinen Nostalgie-Moment kommen die Feature-Gäste erst so richtig zum Zug. Die grandiose Nilüfer Yanya hilft dabei mit, "Meditate" mit seinem angejazzten, an eine gemäßigtere Version von Black Midi erinnernden Instrumentalpart und einer erneut wahnsinnigen Klimax zu einem absoluten Karriere-Highlight zu formen. Ganz so viel Wind macht "Tekken 2" nicht, doch wenn nach zweieinhalb Minuten in diesem karamellwarm gebassten Soft-Funker Disco-Queen Khan endlich ihre Audienz gibt, setzt man sich doch etwas aufrechter hin. Große Fußstapfen für Holly Humberstone, die in der zwischen hüpfenden Tasten schwingenden Sommer-Beschwörung "Diving" aber natürlich auch eine exzellente Figur abgibt und wunderbar mit Steadman harmoniert. Schließlich liegt es nur noch am Closer, nach folkigem Beginn mit standesgemäßer Epik den Vorhang zuzuziehen. Oder überhaupt erst aufzuziehen, wenn man den Titel des Songs wörtlich nimmt: "Onward". Eine Richtung, in der für Bombay Bicycle Club so viele Möglichkeiten warten wie nie.

(Marvin Tyczkowski)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • I want to be your only pet
  • Meditate (feat. Nilüfer Yanya)
  • Heaven (feat. Damon Albarn)
  • Diving (feat. Holly Humberstone)

Tracklist

  1. Just a little more time
  2. I want to be your only pet
  3. Sleepless (feat. Jay Som)
  4. My big day
  5. Turn the world on
  6. Meditate (feat. Nilüfer Yanya)
  7. Rural radio predicts the rapture
  8. Heaven (feat. Damon Albarn)
  9. Tekken 2 (feat. Chaka Khan)
  10. Diving (feat. Holly Humberstone)
  11. Onward
Gesamtspielzeit: 43:39 min

Im Forum kommentieren

jo

2023-11-29 15:25:16

Super, das freut mich für dich, dass du sie entdeckt hast!

Wenn du "Meditate" so sehr magst (übrigens auch mein Highlight des Albums), dann kann ich vor allem zum zweiten (echten) Album raten, "A Different Kind of Fix", das für mich insgesamt ohne größere Durchhänger auskommt, wie sie mir auf dem dritten Album, "So Long, See You Tomorrow", eher unterkamen. Andererseits: Auch diese sogenannten Durchhänger sind bei der Band noch ziemlich gut :).

Du wirst auf jeden Fall, denke ich, viel Spaß beim Entdecken haben. Melde dich gerne mal, um von der Reise zu erzählen *daumenhoch*.

Chron-o John

2023-11-29 09:02:15

Der Name der Band ist mir hier und da mal untergekommen, habe mich aber nie mit ihr beschäftigt, bis letztens im Auto aus dem Radio "Turn the World on" lief und mich das Lied richtig gepackt hat, dass ich darauffolgend das Album runterladen musste.
Irgendwie lebe ich musikalisch hinter'm Mond, mir fällt es zusehends schwerer, neue Musik zu entdecken bzw. aktiv danach zu suchen und mir selber dann auch die Zeit zu geben, Musik auf mich wirken zu lassen. Jetzt frage ich mich natürlich, warum Bomby Bicycle Club so an mir vorbei ging, der Sound trifft alle Nerven.
Ich habe mich jetzt erstmal nur am neuen Album versucht und bin hellauf begeistert. Die anderen Alben liegen schon bereit, gehört zu werden, aber ich feiere "Meditate" so dermaßen ab - und dann noch der nahtlos-perfekte Übergang Rural Radio Predicts The Rapture, ein Traum.

Receny bias zum Trotz könnte "My big Day" doch echt mein Lieblingsalbum des Jahres werden. Schönes Ding.

Gomes21

2023-11-14 18:19:47

Das Artwork finde ich absolut grausig, aber an dem Album hab ich überhaupt nichts auszusetzen, funktioniert mal wieder wunderbar. Eine tolle Band!

Huhn vom Hof

2023-11-14 15:12:34

Das Cover ist ja mal herrlich :o)

jo

2023-11-02 19:44:38

Hier? Immer Blindkauf! Hat sich bisher noch immer gelohnt :).

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Threads im Forum