Armand Hammer - We buy diabetic test strips

Fat Possum / Membran
VÖ: 29.09.2023
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

So grau wie das Leben

Es ist schon eine Kunst. Die Instrumentierung ist abwechslungsreich, sowieso oft live gespielt, bedient sich gern bei Jazz und Rock. Das Energielevel steigt und fällt in einer tollen Symbiose, die Personen am Mikro geben sich den Staffelstab in die Hand, als wäre es das Leichteste der Welt. Und doch ist "We buy diabetic test strips", das sechste Album von Billy Woods und Elucid unter dem Namen Armand Hammer, vor allem eins: grau. Die düsteren Synths malen Bilder von verlassenen Bruchbuden und den verlorenen Seelen darin vor das geistige Auge. Die Stimmung ist zumeist hoffnungslos, wenn gelächelt wird, dann höchstens mit grimmigem Galgenhumor. "My bedtime stories had the kids crying before they got tucked in, but fuck it", rappt Woods scheinbar achselzuckend. Sein eigenes "Maps" mit Kenny Segal rief schon wenige Monate zuvor Geister auf den Plan, die sich hier erst recht austoben.

"We buy diabetic test strips" ist ein fieberhafter Albtraum, in welchem Beats, Raps und Sample-Fetzen in Momentaufnahmen vorbeiflirren. Oft, wie im grellen, schleppenden "When it doesn't start with a kiss", gönnen sich die beiden New Yorker jeweils einen eigenen Beat für ihre Verse, die in abstrakten Bildern von Armut, Depression und Verlust erzählen. Schon der Albumtitel weist auf nicht krankenversicherte Menschen in den USA hin, die sich aus Kostengründen nur abgelegte medizinische Tests leisten können. Das fast schon meditativ ruhige "Don't lose your job" kreist um Existenzängste in der Arbeitslosigkeit. "I feel like I'm a buy life insurance and just die / Like, fuck, I don't wanna see the kingdom / Living will between the bills / What instrumental are you gonna play at my funeral?", fragt Elucid in die Leere.

Der einzige Track, der wirklich aus dem Trauma ausbricht, ist das von El-P produzierte "The gods must be crazy", passenderweise genau in der Mitte des Albums platziert. Der Beat groovt, während Woods sich eine wundervolle Fake-Story zu einem ollen, bigotten Charity-Event zusammenspinnt: "The happiest Africans / How I started my verse for 'Live Aid 85' / Rehearsed for 'We are the world' / And got cut for Chris Hayes." Davor und danach geht es jedoch steil bergab, vor allem an den Rändern der Platte. "Landlines" eröffnet das Album in einem wirren Mix aus gesprochenen Kindheitserinnerungen und einem Telefongespräch. Die beiden JPEGMafia-Kontributionen überbieten sich gegenseitig in atmosphärischer Kühle. "Woke up and asked Siri how I'm gonna die" trägt seine Gefühlswelt schon im Titel, während "The key is under the mat" in frostiger Distanz den negativen Klangraum nutzt. "Princess and the pea but it's a Glock 9 under the mattress."

Der lyrisch härteste Moment kommt da vor, wenn Woods in "Switchboard" den Protagonisten seine eigene Mutter identifizieren lässt. "A long hallway / Then it's the room where you identify your mother / Go back home to your lover / How many times can you tell her that you love her / Why the cellar door open when it wasn't?" "We buy diabetic test strips" ist ein forderndes Werk, abstrakt und komplex, fast konstant im Stimmungstief. Es streut jedoch gerade so genug helle Momente und Humor ein, um eben nicht in selbstgemachter Tristesse zu versinken. Ein Guide fürs Leben quasi.

(Felix Heinecker)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • When it doesn't start with a kiss
  • Niggardly (Blocked call)
  • The gods must be crazy
  • Don't lose your job
  • The key is under the mat

Tracklist

  1. Landlines
  2. Woke up and asked Siri how I'm gonna die
  3. The flexible unreliability of time & memory
  4. When it doesn't start with a kiss
  5. I keep a mirror in my pocket
  6. Trauma mic
  7. Niggardly (Blocked call)
  8. The gods must be crazy
  9. Y'all can't stand right here
  10. Total recall
  11. Empire blvd
  12. Don't lose your job
  13. Supermooned
  14. Switchboard
  15. The key is under the mat
Gesamtspielzeit: 53:17 min

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Armin

2023-10-25 21:56:19- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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