Sampha - Lahai

Young / XL / Beggars Group / Indigo
VÖ: 20.10.2023
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Reifeprozess

Es liegt immer eine gewisse Anspannung in der Luft, wenn man als Musiker*in sein Debütalbum vorlegt. Wie reagiert das Publikum? Was sagt die Kritik? Als der Brite Sampha Lahai Sisay im Jahr 2017 sein Album "Process" in die weite Welt entließ, traf seine Kunst auf ganz viel Liebe. Das erste eigenständige Werk des kreativen Kopfes aus London markierte einen der Höhepunkte des Musikjahres, die Kritik stand mehrheitlich applaudierend am Wegesrand. Namenlos war Sampha, so sein schlichter Künstlertitel, schon zuvor nicht gewesen, schließlich kannte man ihn von seinen Kollaborationen mit Größen wie Solange, Kendrick Lamar oder Katy B. "Process" jedenfalls präsentierte ihn als herausragenden Musiker mit einem feinen Gespür für große Songs, einer ausgeprägten Freude am munteren Stilmix – und nicht zuletzt mit einer ganz besonderen Stimme, die sich oft wie eine Decke wohlig über die Stücke legt. "Lahai" muss sich nun natürlich dem Vergleich mit dem noch immer spannenden Debüt stellen.

Es lag eine düstere Stimmung über dem Erstling, auf dem Sampha auch und gerade den Tod seiner Mutter verarbeitete. Sechs Jahre später kann er auf turbulente Zeiten zurückblicken, die ihm unter anderem seine erste Vaterschaft bescherten. Wenig überraschend kommt das zweite Album aus seiner Feder, das seinen zweiten Vornamen als Titel trägt, eine ganze Spur leichter daher, ohne auch nur im Ansatz oberflächlich zu erscheinen. Vom ersten Song an, dem clever arrangierten "Stereo coloured cloud (Shaman’s dream)", wird überdeutlich, wie souverän Sampha seine Qualitäten zu einem großen Ganzen zusammenfügen kann. Die Beats sitzen, die Struktur passt, jedweder Eintönigkeit wird mit Samples und Einschüben geschickt vorgebeugt. Inhaltlich wird es direkt speziell: Es geht um Träume, in denen Ausflüge in die Wolken nichts Besonderes sind und Bäume Geschichten erzählen.

Sampha ist aber auch ein inzwischen gereifter Songwriter, wie das folgende "Spirit 2.0" beweist. Auch wenn er das Schreiben von Stücken nach eigener Aussage nicht zu seinen originären Stärken zählt, sticht diese Fähigkeit doch immer mehr heraus, je länger man das Album hört. Verortet ist das alles, was er auf "Lahai" zelebriert, in einem weiten Feld zwischen Soul, Jazz, Dance und westafrikanischer Musik. Genrezuweisungen müssen aber fast schon zwangsläufig scheitern angesichts seiner mühelos erscheinenden Kreativität. Ein unruhiges, aber nie überforderndes "Dancing circles" spricht ebenso für seine Klasse wie das folgende, überaus lebendige "Suspended" oder die spätere Großtat "Only". Erst nach und nach gelingt es übrigens, all die Einflüsse auszukundschaften, die vielen Ideen zu verarbeiten und das Album, das von zwei Zwischenparts jeweils kurz unterbrochen wird, vollständig zu verstehen.

Seine Freude am musikalischen Teamplay ist angesichts seiner vielen gemeinsamen Arbeiten ja schon lange kein Geheimnis mehr. Während allerdings "Process" ganz entschieden in Eigenregie entstand und seine Kunst ganz und gar in den Mittelpunkt rückte, versammelte Sampha für sein – und es ist als solches zu benennen – zweites Meisterwerk "Lahai" eine ganze Riege an befreundeten Künstler*innen um sich herum. So wirkten unter anderem Yaeji, Ibeyi, Morgan Simpson von Black Midi oder Laura Groves mit. Ohne freilich das Ruder zu übernehmen, sondern in jeweils perfekt abgestimmter Dosis und mit unüberhörbarem Gewinn für die Songs. Sampha, der natürlich seine geliebten Ausflüge am Piano nicht vergisst, macht auf seinem Zweitling wahrlich nicht alles anders, aber einiges sogar noch um feine Nuancen besser als sechs Jahre zuvor. "We should do this more often / dancing and laughter", singt er ganz am Ende, und man möchte antworten: aber gerne doch!

(Torben Rosenbohm)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Suspended
  • Jonathan L. Seagull
  • Only

Tracklist

  1. Stereo coloured cloud (Shaman’s dream)
  2. Spirit 2.0
  3. Dancing circles
  4. Suspended
  5. Satellite business
  6. Jonathan L. Seagull
  7. Inclination compass (Tenderness)
  8. Only
  9. Time piece
  10. Can’t go back
  11. Evidence
  12. Wave therapy
  13. What if you hypnotise me?
  14. Rose tint
Gesamtspielzeit: 40:57 min

Im Forum kommentieren

edegeiler

2024-07-05 13:32:33

Dem Album tropft der Skill und die Intelligenz der Beteiligten aus jeder Pore.

Armin

2023-10-18 20:40:05- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

"Album der Woche"!

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