Prong - State of emergency

Steamhammer / SPV
VÖ: 06.10.2023
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Ewig währt am längsten

Vor knapp 30 Jahren schrieb Tommy Victor einen Song für die Ewigkeit. Ein kurzer Basslauf, dann die heiser hervorgestoßenen Zeilen: "Nothing breeds more contempt for this world / Than the memories now formed / Every moment a new seed / Is grown to no reason, the trouble unfolds." Zunächst waren die Neunziger eine gute Zeit für Victor und seine Band Prong, die sich nach drei im Underground sehr geschätzten Alben mit "Cleansing" und "Rude awakening" in die Metal-Annalen riffte und dabei ganz nebenher das Genre Groove-Metal gleich mit erfand. Und mit "Snap your fingers, snap your neck" eine Hitsingle aus dem Lehrbuch vorweisen konnte. Der Rest ist schnell erzählt: Nach diesen beiden Platten kam es zum großen Bruch, gar zur zwischenzeitlichen Auflösung, doch auch trotz durchaus respektablen Alben nach der Neuformierung konnten Prong nicht mehr an diese Erfolge anknüpfen.

Wenn man es also einmal verkraftet hat, dass nicht mehr plötzlich jeder Dein Freund sein will, kann man es ganz bodenständig angehen lassen. So zog es den mittlerweile zweifachen Vater nach Jahrzehnten wieder nach New York – dorthin also, wo damals alles anfing und Victor als Tontechniker im legendären Club CBGB Ende der Achtziger seine ersten musikalischen Gehversuche unternahm. Und natürlich zielt der Albumtitel "State of emergency" auf die immer tiefere Spaltung der modernen Gesellschaften ab, in denen in den Filterblasen nur der gehört wird, der am lautesten schreit. Konsequenterweise lässt der Opener "The descent" erst einmal mächtig Dampf ab, knüppelt brachial los, statt filigrane Klänge zu kredenzen, zeigt aber dennoch im Mittelteil, dass die Kunst des Riffs im Hause Victor immer noch hoch geschätzt wird.

Denn kaum hat sich die Band eingegroovt – pun absolutely intended –, läuft die Maschinerie wie geschmiert. Spätestens wenn "Non-existence" mit seinem wahnwitzigen Refrain tatsächlich an das Durchbruch-Album "Prove you wrong" von 1991 erinnert, kommen wieder die Gedanken hoch, wie groß Prong eigentlich hätten werden können, wenn die Widrigkeiten des Business nicht dazwischengefunkt hätten. Überhaupt versteht es die Band mehr noch als auf den letzten Alben, etwas mehr Melodie zuzulassen, ohne zu verweichlichen, damit ob des puren Geknüppels nicht irgendwann die Überforderung einsetzt. Nur so entsteht dann eben so ein Nackenbrecher wie "Who told me", der wirkungsvoll die Gehörgänge freipustet, bevor "Obeisance" mit einem komplett gestörten Stakkato-Riff höchst eindrucksvoll den Begriff "Groove Metal" in die Schädeldecken hämmert.

Doch anstatt auszutrudeln, hauen Prong gegen Ende nochmal richtig raus, um es einmal flapsig auszudrücken. "Disconnected" ist nämlich eine Post-Punk-Hymne, die mal an Killing Joke, mal an Warrior Soul zu Zeiten ihres legendären Albums "Salutations from the ghetto nation" erinnert, aber mit dem unbarmherzig marschierenden Groove unverkennbar Prong bleibt. Nur eben die Prong, die 1990 noch höflich "Beg to differ" sagten, bevor sie die damals im Umbruch befindliche Metal-Welt in Staunen versetzten. Dieses Staunen nötigt einem ehrlicherweise heutzutage eher der Mut ab, den Song "Working man" vom Rush-Debütalbum aus dem Jahr 1974 ins Riff-Gewand zu stopfen, was erstaunlich gut gelingt. Tommy Victor wird in einem Interview zitiert, bei "Snap your fingers, snap your neck" sei es damals vor allem darum gegangen, im Hier und Jetzt zu leben. Und genau diesen Maßstab sollte man an dieses Album anlegen – die glorreichen Zeiten werden zwar angedeutet, jedoch nicht ganz erreicht. Im Rahmen der aktuellen Möglichkeiten ist "State of emergency" jedoch ein gewaltiges Ausrufezeichen geworden.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Non-existence
  • Obeisance
  • Disconnected

Tracklist

  1. The descent
  2. State of emergency
  3. Breaking point
  4. Non-existence
  5. Light turns black
  6. Who told me
  7. Obeisance
  8. Disconnected
  9. Compliant
  10. Back (NYC)
  11. Working man
Gesamtspielzeit: 41:48 min

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Armin

2023-10-18 20:39:00- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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