The Kills - God games
Domino / GoodToGoVÖ: 27.10.2023
Bei Anruf Keyboard
Laut Aussage von Alison Mosshart vergeht kein Tag, an dem sie und Jamie Hince nicht mindestens viermal miteinander telefonieren. Wer angesichts immer größer werdender Alben-Abstände Angst um die Zukunft von The Kills hatte, kann beruhigt aufatmen: Zwischen den beiden ist alles im Lot. Dass "God games" erst sieben Jahre nach "Ash & ice" erscheint, hat andere gute Gründe. Diesmal kamen zwar keine Scheidungen von Supermodels oder Nebenprojekte mit Jack White dazwischen, dafür aber eine nicht ganz unerhebliche Pandemie, welche die bereits 2019 begonnenen Arbeiten an der Platte ausbremste. Zeit, die vor allem den mit Keyboards und Bläsern herumexperimentierenden Hince kreativ beflügelte, der zum ersten Mal mehr auf Tasten als auf Saiten komponierte. Heraus kommt das vielleicht nicht beste, aber vielschichtigste Werk von The Kills, das sich ungewöhnlich weit nach draußen wagt.
Und doch ändern sich manche Dinge nie. Gut 15 Sekunden dauert es, bis ein unverkennbares Jamie-Hince-Riff durch das eröffnende "New York" schneidet und sich der little bastard, wie die Band liebevoll ihren treuen Drumcomputer nennt, auch an der Stempeluhr meldet. Wie in der Schrottpresse plattgewalzte Bläser-Samples verunstalten die Oberfläche, darunter wartet ein vertraut großartiger The-Kills-Hit. Erst "Going to heaven" faltet den typischen Minimalismus mit Synth-Wolken, jäh auf die Erde knallenden Piano-Einschlägen und polyrhythmischen Zuckungen auf – und erzeugt damit ein raumfüllendes Klangprisma, das dem selbstgestelltem Anspruch von "godless spirituals" mehr als gerecht wird. The Kills huldigen keinem Gott, sie spielen ganz im Sinne des Albumtitels mit ihm. "My girls my girls" kann am Ende sogar Handclaps und Kinderchor auffahren, ohne gleich den Kirchentag einzuläuten.
Wer grundsätzlich ein Problem damit hat, wenn Rockbands im fortschreitenden Bestehen Elektronik und Bremspedal für sich entdecken, wird auch mit der Entwicklung des britisch-amerikanischen Duos keine Freude haben. Alle anderen können einem weiteren wunderbaren Beispiel dafür beiwohnen, wie Identitätswahrung ohne Stillstand funktionieren kann. Wie Hince in "103" die Gitarre brutzeln lässt, während Mosshart eine ihrer besten Gesangsmelodien darauf tröpfelt, ist pures Gold. Auch der scheppernde TripHop-Blues von "Bullet sound" wirbelt trotz Midtempo genug Sand in der Arena auf, um Torero und Bullen gleichermaßen schwindlig zu machen. Und wenn The Kills den little bastard doch mal zum Schwitzen bringen wollen, brauchen sie keine Garagen-Dreckschleuder dafür – ein Geschichten aus der Disco-Gruft erzählender Synth-Pumper wie "Wasterpiece" tut's mindestens genauso gut.
Auf einem so herausragenden Niveau zündet nicht jeder Track. Das gemeinsam mit dem Opener ausgekoppelte "LA hex" verliert sich etwa im Spoken-Word-Nirgendwo und verdient sich sein Grande Finale mit Starkstrom-Solo und erneutem Choreinsatz nicht so wirklich. Dafür sitzt der Schlussakkord der gesamten Platte, wenn "Better days" mit seinem Flair eines mexikanischen Sonnenuntergangs der gut gefüllten Palette eine weitere Farbe hinzufügt. The Kills waren schon immer eine der coolsten Bands der Welt und "God games" ändert an diesem Umstand nichts, im Gegenteil – denn was könnte cooler sein, als aller festgefahrenen Fan-Erwartungen zum Trotz einfach zu machen, worauf man Bock hat, sich dafür alle Zeit der Welt zu nehmen und globale Krisen einfach von sich abprallen zu lassen? Um Mosshart und Hince aus der Fassung zu bringen, müsste ihnen schon jemand die Telefonrechnung zeigen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- New York
- Going to heaven
- 103
- Bullet sound
Tracklist
- New York
- Going to heaven
- LA hex
- Love and tenderness
- 103
- My girls my girls
- Wasterpiece
- Kingdom come
- God games
- Blank
- Bullet sound
- Better days
Im Forum kommentieren
Kojiro
2023-11-09 18:59:02
Ach ja: Titeltrack ebenfalls super!
Kojiro
2023-11-09 18:55:05
"Wasterpiece" ist schon auch ziemlich klasse. Ja, schönes Album geworden!
Mawi09
2023-11-01 14:00:47
Nach den ersten zwei Durchläufen gefällt es mir gut, im ersten Moment vielleicht etwas besser als die letzte aber nicht so gut wie Blood Pressures.
MM13
2023-10-28 12:03:54
ersten durchgang fand ich erstmal zu düster und bluesig,aber jetzt find ich das album richtig gut, wird bei mir auch auf 7 zu gehn.
Kojiro
2023-10-27 13:09:51
Gute Platte. 7 oder ne gute 8 kommen hin. Macht Spaß!
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