John - A life diagrammatic

Pets Care / Brace Yourself / Rough Trade
VÖ: 22.09.2023
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Landpartie mit Durchlauferhitzer

John brauchten noch nie sonderlich viel. Weder einen spektakulären und daher im Handumdrehen googlebaren Bandnamen noch einen Bass in ihren dynamischen, nur von Gitarre, Schlagzeug und aufgebrachtem Belfern zusammengehaltenen Song-Bömbchen. Und der ramponierte Durchlauferhitzer vom Cover? Kann auch weg, so geplättet, wie der einst wärmespendende Blechhaufen aussieht. Wenn's im Winter mal gar zu kalt wird, lässt sich schließlich immer noch vorzüglich mit "A life diagrammatic" einheizen. Das vierte Album von John Newman und Johnny Healey und ihr erstes nach dem zähneknirschenden Quantensprung "Nocturnal manoeuvres" ist nämlich erneut ein flammendes, lautstarkes Plädoyer für die Kunst des Weglassens bei vollem Power-Ausgleich. Und dafür brauchen die beiden Londoner wie üblich kaum länger als eine halbe Stunde, in der es auf dem Post-Punk-Schrottplatz scheppert, dass sich die Noise-Rock-Balken biegen. Auch das Tretboot in Schwanenformmacht schon einen ganz abgeranzten Eindruck.

Und schaut mal ein illustrer Gast wie "Shaun of the dead"-Hauptdarsteller Simon Pegg vorbei, darf der in "Media res" lediglich eine 74-sekündige, verrauschte Mailbox-Nachricht dalassen – eingebettet zwischen zwei geräuschigen Landpartien. Erst geht es im mehr oder weniger malerischen West Sussex nach Jaul-Intro bei "At Peacehaven" mit abgesägten Riffs und gehetzten Drums äußerst rabiat zur Sache, ehe ein annähernd sphärischer Break für eine kurze Verschnaufpause sorgt. Auch die "Côte d'Adur" liegt mitnichten am Mittelmeer, sondern im fast gleichnamigen südenglischen District – dort, wo die Gitarre so missmutig knarzt, dass es fast so lauschig ist wie am schönen braunen Rhein. Nicht. Was Idles oder Fontaines D.C. können, können John schließlich schon lange. Manchmal sogar eine Spur besser, wie das zunächst gespenstisch shoegazende "A submersible" beweist, bis Newman und Healey auch hier einen schwärenden Lärm-Zugang legen und das U-Boot aus dem Songtitel endgültig absaufen lassen.

Die immerhin vorhandenen harmonischen Momente spielen also auch auf "A life diagrammatic" eine untergeordnete Rolle – spätestens ab der zweiten Hälfte, für die sich John die am effektivsten zerbeulten Hits aufgehoben haben. Etwa das rasant zwirbelnde "Service stationed", wo sich Newman im Refrain mit einem räudigen "Keep on keepin' on" selbst Mut zubrüllt, während Leona Farrugia vom britisch-maltesischen Damenquartett Genn eine himmlische gesangliche Dimension einzieht. Die jedoch längst wieder vergessen ist, sobald "Trauma mosaic" zuerst maschinell schiebend und dann grob verzerrt fast sechs Minuten füllt und das hinreißend benannte "Riddley Scott Walker" das Feature von Magazine- und Bad-Seeds-Bassist Barry Adamson listig unter knorrigen Leads vergräbt. Und wie es sich für die kühle Jahreszeit gehört, pustet "The common cold" zum Schluss sämtliche Nebenhöhlen mit industriellem Schaben frei – das angemessen dicke Ende eines gewichtigen Albums. Und der Durchlauferhitzer war noch warm.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Service stationed
  • Trauma mosaic
  • The common cold

Tracklist

  1. At Peacehaven
  2. Media res
  3. Côte d'Adur
  4. A submersible
  5. A whole house
  6. Service stationed
  7. Construction site / Summer_22
  8. Trauma mosaic
  9. Riddley Scott Walker
  10. The common cold
Gesamtspielzeit: 36:09 min

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Armin

2023-10-11 22:04:35- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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