Chai - Chai

Jisedai Inc. / Sub Pop / Cargo
VÖ: 22.09.2023
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 4/10
4/10

Neo-niedlich

Chai knacken den Kawaii-Kult. Kawaii ("niedlich") kam aus Japan und bescherte uns die übergroßen Manga-Augen, die hilfesuchend aus Comics blicken, das süße Pokémon Pikachu, welches im bekannten Videospiel aus dem Ei schlüpft, und das mundlose Kätzchen Kitty White aus "Hello Kitty", das infantil im rosa Unschuldsbiotop hockt. Diese Niedlichkeitsästhetik wirkt auf uns Europäer kindlich-kitschig; anders in Japan – dort wird sie als erwachsenentauglich empfunden und hat sich zum weiblichen Schönheitsideal entwickelt. Kawaii wird von der Girlband Chai aus Nagoya seit eh und je bis zum Exzess ausgereizt. Im neuen vierten Album rechnen die vier nun mit dem japanischen Frauenbild ab: Im zentralen Song der Platte, "Neo kawaii, K?", singt Mana: "Why are you looking at me? / I'm not who you think / Please call me neo Kawaii / (…) / This is just my body, not a / Trendy body."

Doch Chai sind zerrissen: Kritk am Niedlichsein auf der einen Seite, aber Rückbesinnung auf die musikkulturellen Wurzeln der Heimat auf der anderen Seite. Während das Erstlingswerk der Band, "Pink", mit Disharmonien, mitunter verzerrter Gitarre, hohem Tempo und Brülleinlagen als (Disco-)Punk durchgeht, greift das aktuelle Album dagegen das Genre auf, mit dem die vier Bandmitglieder aufgewachsen sind, nämlich den japanischen Siebziger-Achtziger-City-Pop (Soundbeispiel dazu: "Plastic love" von Mariya Takeuchi, 1984). Daher prägen nun Synthesizer den bubblegum-poppigen neuen Sound. Auch der Gesang ist smoother geworden und klingt nicht mehr gelegentlich nach einer durchgeknallten Hello-Kitty-Katze, der man auf den Schwanz getreten ist. Wie bei der Band üblich, enthalten die Lieder sowohl auf Englisch, als auch auf Japanisch gesungene Passagen.

Neben "Neo kawaii, K?" pusht auch "We the female!" das erstarkende weibliche Selbstbewusstsein und wird somit ebenfalls allen japanischen Mädchen als Kampfsong dienen können: Zu stampfenden Drums singt Mana: "Hey! Who are you? / I'm a human, how about you? / Who are you? / I'm a woman, how about you? / We're all one, we're all the same", und legt noch nach: "Hello universe, we are pretty but masculine!" Schön sind die eingeflochtenen Bläsereinsätze im Stück "Game", das in dem für die Platte typischen Tanz-mit-Pop mündet, der die Teenies auf die Tanzfläche ruft. Der Song "From 1992" offenbart möglicherweise das bislang geheime Geburtsjahr der Musikerinnen und beginnt mit paukenschlagartigem Schlagzeugspiel, gefolgt von zwei ohrenschmerzenden lang gesungenen Noten, ehe er immer melodischer wird. Der Rest des Albums: ebenfalls Pop, der aber abwechslungsreich bleibt, weil alle Songs unterschiedlich rüberkommen.

Aber kann das gefallen? Ja. Die Band mutet einem Ü-30-Vertreter der Gesellschaft zwar wie eine laute pinke Comedy an: einheitlicher Dress, Lieblingsfarbe Rosa, einstudierte Choreografien (sichtbar in Videoclips und Konzertaufnahmen). Und dennoch ist die Band politisch, indem sie das japanische Frauenbild durch Übertreibung gnadenlos der Lächerlichkeit preisgibt. Feminismus kann fun sein – bewundernswert!

(Achim Keil)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Game
  • We the female!
  • Neo kawaii, K?

Tracklist

  1. Matcha
  2. From 1992
  3. Para para
  4. Game
  5. We the female!
  6. Neo kawaii, K?
  7. I can't organizeeee
  8. Driving22
  9. Like, I need
  10. Karaoke
Gesamtspielzeit: 29:49 min

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Armin

2023-10-04 20:07:23- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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