
Emil Amos - Zone black
Drag City / IndigoVÖ: 04.08.2023
Schattenfänger
Ein Sturm zieht vorbei. Dunkle Wolken hängen am Horizont, Blitze zucken über den Himmel. Die Stadt liegt schweigend darunter, eine Zivilisation im Dämmerschlaf. Wo die Natur aufhört und der Mensch beginnt, ist Platz für Kunst. Platz für Musik, die sich in die schlierig gewordene Wahrnehmung schleicht. Die kleinen, großen Sünden von gestern, das schlechte Gewissen. All das leere Geschwätz zwischen den Wänden. Das Echo nicht erwiderter Eitelkeiten, der Klang der Einsamkeit. Vielleicht gibt es einen Ausweg, eine Idee, die aus Beton Zuversicht machen kann. Für die meisten endet sie in missverstander Entropie. Andere schütteln aufgrund solcher Sätze den Kopf und fragen sich, wann die Produktbeschreibung beginnt.
Sie beginnt jetzt. Emil Amos Album "Zone black" ist eines dieser Meisterwerke, die völlig aus dem Nichts kommen. Die einen beim Hören fassungslos machen. Was ist das für eine Musik und wie zur Hölle kommt jemand auf solche Ideen? Wie präzise kann Sounddesign sein? Und wer ist dieser Typ eigentlich? Emil Amos ist Eingeweihten vielleicht als Drummer von Om oder Grails ein Begriff. Manche kennen vielleicht auch sein Projekt Holy Sons. Für die meisten dürften diese Bandnamen böhmischen Dörfern gleichkommen. Letzten Endes ist es auch völlig unwichtig, was Emil Amos sonst noch so treibt. Entscheidend ist, wie "Zone black" klingt. Was es mit dem Hörer anstellt.
Das musikalische Fundament ruht im Trip-Hop, langsame, bewusst verschleppte Beats bilden die Grundlage für ausladende Soundscapes. Die Grundstimmung ist finster bis zappenduster. Schwere Moll-Akkorde liegen in der Luft, während effektbeladene Noise-Samples und entrückte Gesangspassagen um die Aufmerksamkeit der Hörerschaft buhlen. Das Faszinierende dabei: Alle Tracks klingen beim ersten Hören ähnlich, je länger man sich jedoch mit den Details auseinandersetzt, desto offensichtlicher wird, mit welcher Raffinesse hier agiert wird. Alle Einzelteile greifen perfekt ineinander. Die rollenden Basslinien, die herausragend akzentuierten Drumloops, die Harmonien, die direkt aus dem Hades zu kommen scheinen.
Nun könnten einzelne Tracks aufgezählt und seziert werden, aber das wäre letzten Endes auch nur ein weiterer verzweifelter Versuch, gegen die Fakten anzuschreiben. Manchmal steht Musik für sich. Analyse endet entweder in langweiliger Musiktheorie oder unverständlichen Allegorien. "Zone black" ist ein Album wie aus einem Guss. Ein Werk, das sicher nur in ganz bestimmten Stimmungslagen funktioniert. Wenn es aber zündet, dann fräst es sich derart nachhaltig ins Befinden, dass kein Platz für zweite Meinungen bleibt. Manche Alben kommen eben aus dem Nichts, hauen einen völlig um und verschwinden dann wieder dorthin, wo die Staubschicht am dicksten ist. Fast so, als hätte es sie nie gegeben. Als hätte niemand jemals über sie gesprochen. Aber eine Erinnerung bleibt. Ein diffuses Gefühl der Zufriedenheit, das manche Glück nennen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Zone black
- Red palms
- Zone bleu
- Realistic #1
Tracklist
- Moving target
- Theme from personal prison
- Zone black
- Bad night at Cowboys
- Personal Prison II
- Red palms
- Jealous gods
- Interloper #1
- Zone bleu
- Static mist
- Static mist II
- Realistic #1
- Blue palms
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Nasentasse
2023-09-18 13:27:40
Endlich mal.
Herr
2023-09-17 21:13:59
Hab tatsächlich auch grad ad hoc beim Plattentests lesen reingehört. Super!
Wieder mal ein Beispiel für völlige Ahnungslosigkeit, wäre es hier nicht rezensiert worden.
u.x.o.
2023-09-17 21:11:00
Laut last.fm ist das meine meistgehörtes Album der letzten 90 Tage. Ich mag es wirklich extrem gerne, das ist so unvorhersehbar, kreativ und durchweg relaxt. Trifft einen Nerv bei mir.. zum Pendeln mit einem Buch in der Hand immer passend.
Armin
2023-09-17 20:26:00- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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