Sparklehorse - Bird machine

Anti / Indigo
VÖ: 08.09.2023
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Das Rauschen zwischen den Wellen

Sie gehört zweifellos zu den verblüffendsten guten Nachrichten dieses Jahres: Das fünfte Album unter Mark Linkous' so rätselhaft schillerndem wie passendem Pseudonym Sparklehorse erscheint. Dass dies 13 Jahre nach Linkous' tragischem, frühem Tod und 17 Jahre nach seinem bislang letzten Album geschieht, macht "Bird machine" einerseits zum Dokument einer Unwahrscheinlichkeit und zugleich neugierig, vielleicht sogar ein wenig vorsichtig ob der Umstände seiner Entstehung. Linkous und seine gegen den Strich gebürsteten und höchst idiosynkratischen Indie-Explorationen hatten schließlich immer auch den Mantel des Geheimnisses übergeworfen. Die kratzig-knisternde Stimme, die feinsinnige und vielschichtige Produktion und Texte, die mit dem Röntgenblick auf das meist Übersehene eine schmerzliche Lebensfreude zelebrierten, brachten ihm etliche Bewunderer ein: Thom Yorke – mit Radiohead tourte Sparklehorse gar gemeinsam in den Neunzigern – oder die später gefeatureten Tom Waits, PJ Harvey und Nina Persson gehörten ebenso dazu wie Regisseur David Lynch und Danger Mouse, mit denen Linkous gleichsam kollaborierte. Gegen Ende seines Lebens verbrachte Linkous Zeit im Studio mit Produzentenlegende Steve Albini, die daraus entstandenen Aufnahmen bilden nun die Grundlage für "Bird machine".

Die lange Pause zwischen Recording und Release erklärt sich einerseits aus der Tatsache, dass Linkous seine ästhetische Vision eben nicht mehr selbst und in letzter Instanz umsetzen konnte, was jeden respektvollen Umgang damit ins Stocken und Grübeln bringen sollte. Andererseits waren die meisten Songs eben auch nicht fertig produziert: Ein Soundtüftler wie Linkous wäre aber kaum auf die Idee gekommen, bloße Demos das Licht der Öffentlichkeit erblicken zu sehen. In den vergangenen zwei Jahren haben sein Bruder Matt und dessen Frau Melissa, beide im engsten persönlichen und kreativen Sparklehorse-Umfeld unterwegs, den komplizierten Entschluss gefasst, das vorhandene Material nach bestem Wissen zu polieren und in eine konkrete Albumform zu gießen. Es sei darum gegangen, die Songs instrumentell "anzureichern, nicht zu verzieren". Dass dieser Prozess so behutsam wie würdevoll abgelaufen sein muss, zeigen gleich die ersten Songs: "It will never stop" legt mit Störgeräuschen, stark verzerrten Vocals und fuzzigen Wespenschwarm-Gitarren rasant los, in der Spannung zwischen dem poppigen Pre-Chorus und harschen Refrain inszeniert Linkous sein Spiel aus schwebender Catchiness und punkiger Hässlichkeit. Nicht nur hier bekommt man den Eindruck, einen alten Freund nach vielen Jahren in der Mitte seines Schaffens zu treffen – "Bird machine" klingt in jeder Minute wie ein fertiges Sparklehorse-Album.

Rasch kehren friedlichere Klänge ein und stellen einen entrückenden Sog her, den niemand ähnlich erzeugen könnte. "Kind ghosts" staffiert seine für Linkous so typischen surrealen Bilderwelten mit Indietronica-Wabern und Synthie-Wolken aus: Vogelscheuchen, Magnolien, Schrott und defekte Werkzeuge, einsame Pferde auf Highways bevölkern sein Amerika und entladen sich in einer bezaubernden Hook, zu der sich die Akustikgitarre gesellt: "Where were you, my kind ghosts / When I needed you?" Der fragile Indie-Pop der Vorabsingle "Evening star supercharger" mischt seiner lieblichen Melodie lyrische Abgründe bei, die nicht nur im Angesicht von Linkous baldigem Tod stutzen lassen: "Dreaming on the rails of angels dead drunk in the snow / And a train that never blowed took my legs and I bled out slow." Auch "Daddy's gone", bereits bekannt aus ""Dark night of the soul"", dem gemeinsamen audiovisuellen Projekt mit David Lynch und Danger Mouse, textet seine freundliche Akkordfolge mantraartig in die entgegengesetzte Richtung: "I woke up and all my yesterdays were gone."

Die Vielseitigkeit von "Bird machine" gibt dem Album beinahe den Charakter einer Werkschau, die etliche Facetten von Linkous Schaffen abdeckt. "Oh child" klingt wie die Klavierballade aus einer kaputten Spieluhr, bevor es sich in der Mitte in düsterem Elektropluckern und Kinderstimmen verliert. "Hello Lord" gemahnt an einen George Harrison, der seine spirituellen Gewissenheiten ins Rutschen geraten sieht, "I fucked it up" trägt in knackigen zwei Minuten Linkous Punk-Einflüsse zurück ins Bewusstsein. Mit der sanftmütig-resignativen Schönheit von "Everybody's gone to sleep", umflort von Cello und Piano, oder dem Mellotron, das "The scull of Lucia" in Sepia und Zeitlupe taucht, evoziert "Bird machine" auch das vielleicht erfolgreichste Sparklehorse-Album ""It's a wonderful life"". Und das bluesige Riff von "Chaos of the universe" läutet gar so etwas wie einen Hit des Albums ein, dessen melodische Vielschichtigkeit sich erst nach und nach entfaltet und einen der stärksten Songs seiner Karriere hervorzaubert. "Bird machine" erweist sich also als ein wunderbares neues Kapitel, eine unverhoffte und darum umso schönere Wiederbegegnung mit den eigenartig bewegenden Landschaften des Mark Linkuos. Auch der Schrottplatz reflektiert den Mond, wusste dieser immer besser als die meisten. Oder um es mit Tom Waits zu sagen: "Seine Songs machen die Frequenzen zwischen den Radiostationen hörbar."

(Viktor Fritzenkötter)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Kind ghosts
  • Evening star supercharger
  • Chaos of the universe
  • Everybody's gone to sleep

Tracklist

  1. It will never stop
  2. Kind ghosts
  3. Evening star supercharger
  4. O child
  5. Falling down
  6. I fucked it up
  7. Hello Lord
  8. Daddy's gone
  9. Chaos of the universe
  10. Listening to The Higsons
  11. Everybody's gone to sleep
  12. The scull of Lucia
  13. Blue
  14. Stay
Gesamtspielzeit: 43:49 min

Im Forum kommentieren

Harown

2023-09-12 21:06:10

Schöne Rezi. Kleiner Typo: Einmal ist von "Mark Linkuos" die Rede (o und u vertauscht).

Brrrr003

2023-09-10 08:24:17

Fantastischer künstler... fantastisches album rip

Mr Oh so

2023-09-10 01:22:11

Ja, das meinte ich. Cool, dass Ihr das angepasst habt.

Armin

2023-09-09 22:01:31

Ich hoffe, ich verstehe, was Du meinst. Nämlich, dass nicht er veröffentlicht?

Daher etwas angepasst:
"Das fünfte Album unter Mark Linkous' so rätselhaft schillerndem wie passendem Pseudonym Sparklehorse erscheint."

Mr Oh so

2023-09-09 21:43:26

Ich weiß nicht, geht's nur mir so ... Ich finde den Satz "Mark Linkous veröffentlicht sein fünftes Album unter dem so rätselhaft schillernden wie passenden Pseudonym Sparklehorse" irgendwie unglücklich.

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