Romy - Mid air

Young / XL / Beggars / Indigo
VÖ: 08.09.2023

Actual love

"Can you turn up a bit more?" sind die ersten, leise eingesprochenen Worte eines durch und durch persönlichen Werkes und sinnbildlich für jenes, was kommt. "Mid air" ist der perfekt gewählte Titel: schwebend, befreiend, in gewisser Weise erlösend. Es ist eine Art Coming-out-Album, wie Romy Madley Croft selbst sagt. Ein persönliches und musikalisches, denn was hier in den elf Songs passiert, ist neben der Hommage an die Zuflucht auf der Tanzfläche auch eine Emanzipation von dem Sound, der ihre Stimme berühmt machte. Als Teil des Trios The xx schuf sie in den letzten 15 Jahren Meilensteine der Musikgeschichte. Nach Jamie xx und Oliver Sim ist Romy nun die Letzte der Gruppe, die eigenes Material vorlegt und abermals zeigt: Auch wenn The xx vor allem durch introvertierten, atmosphärischen Dream-Pop bekannt wurden, liegen die Wurzeln der drei durchaus woanders.

Auf "Mid air" lebt sie dies nun exzessiv aus. Besonders deutlich wurde dies bereits mit der ersten Single, welche gemeinsam mit dem Durchstarter der 2020er-Jahre schlechthin aufgenommen wurde: Fred Again, welcher binnen kürzester Zeit mit seinem Mix aus pandemiebedingter Sehnsucht und wiederaufkeimender Clubkultur durchstartete. Dabei ist "Strong" hier als besonders konsequent stampfender Track in seiner Direktheit schon die Spitze des Eisberges und mitnichten eines der Highlights. Jene finden sich eher zu Anfang und Ende der Platte. "Loveher" etwa, aus dem das Eingangszitat stammt. Wenn nach jenen ersten gesprochenen Worten Romys Singstimme ansetzt und die Strophe "Dance with me shoulder to shoulder / Never in the world have to two others been closer than us / (...) / Hold my hand under the table / It's not that I'm not proud in the company of strangers/ It's just /Some things are for us" erklingt und sich im Hintergrund der Song langsam immer weiter aufbaut und expressiver wird, ist es schwer, im Albumfluss voranzukommen, da sich eine Wiederholung dieser Schönheit immer wieder aufdrängt.

Es ist nicht nur eine Anlehnung an die Clubkultur. "Mid air" nutzt alle Knöpfe, um auf die Tanzfläche zu ziehen. Demzufolge dürften diverse Remixe folgen, welche den Schwebezustand, in dem dieses Album oftmals hängt, weiter auflösen wird. Was in Romys Variante bedeutet, sich schwelgerisch Liebesdingen zu widmen, während mal mehr, mal weniger offensiv dazu die BPM tanzen. Vieles ist allerdings perfekt so, wie es ist. "Enjoy your life" etwa, welcher neben dem Opener der zweite, sofort wirkende Ohrwurm ist und wie auch "She's on my mind" grob den Vibe eines Jessie-Ware-Songs reproduziert. "The sea" hingegen hätte mit seiner Strand-Leichtigkeit so auch auf "Desire, I want to turn into you" stattfinden können. Das Einzige, was man Romy gen Ende vorwerfen kann, ist schlechtes Timing. "Enjoy your life" ist der ideale Closer, wie auch das dazugehörige Video zeigt: Geht raus, genießt das Leben!

(Klaus Porst)