Soen - Memorial
Silver Lining / WarnerVÖ: 01.09.2023
Nicht mehr super?
Irgendwie haben sie es doch geschafft. Seit ihrer Gründung 2010 mussten sich Soen immer wieder fehlende Eigenständigkeit vorwerfen lassen. Da waren zum einen die Riffs, deren Nähe zu Tool insbesondere bei den ersten Alben unüberhörbar war. Natürlich auch eine gewisse Ähnlichkeit mit Katatonia – zwar ist die Grundstimmung deutlich positiver, doch auch Frontmann Joel Ekelöf konnte nicht leugnen, bisweilen wie ein entfernter Verwandter von Jonas Renkse zu klingen. Der offensichtlichste Aspekt war allerdings zugleich auch der absurdeste. Denn die Schweden waren immer irgendwie "die Band des ehemaligen Opeth-Drummers". Nur dass Martin Lopez die Band schon im Jahr 2005 verlassen hatte, demnach also noch vor dem Prog-Death-Monument "Watershed" und weit bevor Opeth-Chef Mikael Åkerfeldt genau deshalb das Genre für weitgehend auserzählt hielt und fortan dem Hippie-Prog frönte.
Halten wir also fest: Spätestens seit dem letzten Album "Imperial" sollten Soen definitiv nicht mehr als Supergroup oder als kreatives Spielzeug minderausgelasteter Musiker anderer Bands gelten. Zu sehr aus einem Guss klang die Platte, zu magisch-fesselnd war der Gesamtsound. Und schon mit dem Opener "Sincere" zeigen die Skandinavier, dass sie von dieser Marschroute keinen Zentimeter abzuweichen gedenken. Überaus moderne, kraftvolle Riffs leiten den Song ein, bis sich eine wunderbare Harmonie in den Refrain einschleicht, der sich dadurch zunächst einmal festfressen will – was ihm allerdings nur bis zum Break in der Mitte des Stücks gelingt. Und das wiederum ist etwas, das in dieser Güteklasse nur wenige Bands beherrschen. Eine davon heißt Opeth.
Überhaupt sind die Refrains immer wieder griffig wie selten. "Unbreakable" wird so vom Ohrenschmeichler zum Ohrwurm, und bei "Violence" sorgt der Chorus für einen willkommenen Ausbruch aus der sinistren Atmosphäre aus Djent-Riffs und geflüstertem Gesang über fragilen Piano-Passagen. Welche immense Bandbreite die Skandinavier mittlerweile nahezu mühelos beherrschen, zeigt das Doppel aus "Fortress" und "Hollowed" – der erste Song ein relativ simpel anmutender, aber mit allerlei instrumentalen Finessen gespickter Rocker, der zweite eine traumhaft schöne Powerballade mit einem Gastauftritt der italienischen Sängerin Elisa Toffoli, deren Album "Elisa" schon 2002 den nach wie vor sehr geschätzten Ex-Kollegen Daniel Gerhardt in schiere Verzückung versetzte.
Mag sein, dass "Memorial" den Fokus auf besonders dramatische Refrains mitunter etwas überstrapaziert, im Fall von "Tragedian" sogar so sehr, dass man sich diesen Song gar als hochdramatische ESC-Ballade vorstellen könnte (ja, inklusive der legendären Windmaschine und nein, das ist noch nicht einmal negativ zu verstehen). Am Ende gelingt es Soen auch bei sich wiederholenden Stilmitteln, das Spannungsniveau hoch zu halten. Mit dem abschließenden "Vitals" gehen die Schweden gar noch einmal volles Risiko, tauchen tief in loungige Gefilde hinab und überlassen es ihrem Frontmann, seine komplette emotionale Kraft in diesen Song zu legen, den Refrain förmlich zu erleiden. Ist das Metal, Prog-Metal gar, wie gerne schubladisiert wird? Nö. Sondern schlicht kraftvolle eklektische Kunst, durchaus auch von Metal beeinflusst, aber in ihrem großen Ganzen mittlerweile genreübergreifend starke Rockmusik. Wer will da noch von einer Supergroup reden?
Highlights & Tracklist
Highlights
- Unbreakable
- Hollowed
- Vitals
Tracklist
- Sincere
- Unbreakable
- Violence
- Fortress
- Hollowed (feat. Elisa Toffoli)
- Memorial
- Incendiary
- Tragedian
- Icon
- Vitals
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Armin
2023-08-25 20:37:01- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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