Filter - The algorithm

Golden Robot / The Orchard
VÖ: 25.08.2023
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Warten auf'n Bus

Das ging schnell: Kaum waren die Streitigkeiten zwischen Richard Patrick und Brian Liesegang beigelegt, weil Veruca-Salt-Sängerin Louise Post sie von der Bühne aus dazu aufgefordert hatte, schraubten die beiden Hauptverantwortlichen des Filter-Debüts "Short bus" erneut gemeinsam an einem Longplayer mit metallischem Industrial-Rock. Sinniger Arbeitstitel: "ReBus". Doch es mag an der Pandemie, an der Pleite der Crowdfunding-Plattform PledgeMusic oder an den kreativen Differenzen gelegen haben, die das Duo bereits Mitte der Neunziger entzweit hatten – jedenfalls war das Thema nach den ordentlichen, peitschenden Standalone-Singles "Thoughts and prayers" und "Morica" schon wieder durch. Auf "The algorithm" bleibt also mal wieder nur Patrick als einziges festes Bandmitglied übrig und von der kurzlebigen Reunion lediglich das Stück "Command-Z".

Der versöhnliche, ins Sphärische lappende Abschluss einer Platte, der ihr ursprünglich angedachter Titel "They've got us right where they want us, at each other's throats" gar nicht schlecht zu Gesicht gestanden hätte – vor allem zu Beginn geht "The algorithm" nämlich extrem zornig zur Sache, um die siebenjährige Albumpause seit dem dürftigen "Crazy eyes" mit dem größtmöglichen Knall zu beenden. Und der folgt auf dem Fuße, wenn "The drowning" nach nicht einmal einer Minute rabiat in ein hetzendes Stakkato explodiert – mit hörbarer Wut auf einen Ertrinkenden, der jeden Rettungsversuch mit Verachtung straft. Vielleicht eine Metapher für eine gespaltene Gesellschaft, die offenkundig gar nicht wieder zusammenfinden will, womöglich aber ebenso ein Verweis auf Patricks überstandenen Alkoholismus – auch wenn das schon rund 20 Jahre her ist.

An die gleiche finstere Zeit denkt der Heißkalt-Groover "Obliteration" zurück, dessen verdichtetes Riffing mehr reinhaut als jeder kalte Entzug. Kompakt, kantig, krawallig und nach hinten raus ein perfider Ohrwurm – aber im Grunde Knochenmahlen nach Zahlen in der Filter-Blase. "High as fuck", wie der eingangs erwähnte Closer postuliert, wird man davon irgendwie nicht mehr. Schon eher von den Songs, in denen es Patrick nicht beim altbewährten Bausatz belässt und mit der Art Dissonanzen wuchert, für die der Begriff Industrial erfunden wurde: Die tief gestimmten Saiten von "Up against the wall" heizen vor, und "For the beaten" fährt mit bohrenden Distorto-Hieben und schrill zerplatzenden Reverb-Effekten so ungehobelt Schlitten, dass trotz leicht generischer Refrain-Auflösung kaum ein Stein auf dem anderen bleibt. Unrunde Sache – aber ziemlich packend.

Nicht annähernd so ruinös splittert und schabt "Face down", gibt als unaufdringlich rollender Shuffle aber ein vorzügliches Schmiermittel unter so zahlreichen Grobschlächtigkeiten ab. "Summer child" hingegen hat wenig mehr als einen weit aufgedrehten, aber genauso uninspirierten Refrain zu bieten, und der unbehauene Grunge-Brocken "Say it again" langweilt sich schon nach kurzer Zeit selbst. Aber fehlt da nicht noch was? Ein halbakustischer Schunkler inklusive "Take a picture"-Familienanschluss vielleicht? Hat Patrick mit "Burn out the sun" ebenfalls pflichtschuldigst im Gepäck, nachdem zuvor das ungemütlich elektronische "Be careful what you wish for" gereizte Spannung verbreitet hat – spät, aber endlich mal ganz ohne die Pathos-Keule, die "The algorithm" mitunter zu einer stressigen Angelegenheit macht. Manchmal lohnt sich eben auch das Warten auf den Bus.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • For the beaten
  • Face down
  • Be careful what you wish for

Tracklist

  1. The drowning
  2. Up against the wall
  3. For the beaten
  4. Obliteration
  5. Say it again
  6. Face down
  7. Summer child
  8. Threshing floor
  9. Be careful what you wish for
  10. Burn out the sun
  11. Command Z
Gesamtspielzeit: 43:42 min

Im Forum kommentieren

fuzzmyass

2023-10-23 00:29:09

Erster Durchgang war ziemlich gut! Freu mich schon auf den live gig nächstes Jahr

The MACHINA of God

2023-09-01 13:37:28

Nee, noch nicht dazugekommen. Wird...

fuzzmyass

2023-09-01 13:34:24

Schon Army Of Anyone angehört, Machina?
Bin echt gespannt wie du sie findest :)

The MACHINA of God

2023-09-01 13:29:30

Hab mir nochmal "Crazy eyes" gegeben und muss schon sagen, das ist eine Nummer schwächer. Das holzt mir zu sehr stumpf und gerade durch, so wirklich tolle Riffs finde ich da auch nicht. Da find ich die neue deutlich angenehmer. Muss mich mal in die mittleren Alben wieder mehr reinhören, aber das scheint für mich die beste nach den ersten beiden Alben zu werden.

Chrisb

2023-08-29 23:09:03

Gar nicht so übel.Am besten sind überaschend die catchy melodiösen Stellen.

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