
Ashnikko - Weedkiller
Parlophone / WarnerVÖ: 25.08.2023
Gebleichte Augenbrauen für den Weltuntergang
Wäre Ashnikko (Pronomen sie/ihr und they/them) Regisseurin des Barbie-Films gewesen, hätten alle Barbies alle Kens am Ende gegessen, statt sich mit ihnen zu versöhnen. Das Debütalbum der Künstlerin, die mit bürgerlichem Namen Ashton Casey heißt, kreiert eine brutale, spannungsgeladene Dystopie, die Hörer*innen direkt in die kreativen Weiten der charakteristischen Ästhetik des Phänomens Ashnikko entführt. Riot-Grrrl-artige Lyrics treffen hier auf wummernde 808-Bässe und queer-feministische Fantasy-Charaktere auf die Thematik des Klimawandels.
Nach eigenen Angaben hörte die US-amerikanische Ashnikko keine Musik von Männern vor ihrem 16. Geburtstag, viel mehr interessierte sie sich schon als Teenager für die Musik von M.I.A., Lil' Kim, Björk und Kelis. Diese Einflüsse machen sich in ihrer musikalischen Karriere seitdem wesentlich bemerkbar, sei es auf ihrer zweiten EP "Unlikeable" (2018), auf Doja Cats 2020er-Hit "Boss bitch", an dem Ashnikko mitschrieb, oder auf dem Track "Daisy", der ihre Karriere im Sommer 2020 entscheidend nach vorne katapultierte. Musikalisch bewegen sich sämtliche Veröffentlichungen wie auch "Weedkiller" in einem schwer zu generalisierenden Mix aus Bubble-Gum-Pop, HipHop, Punk und Electropop. War Ashnikkos letztes Mixtape "Demidevil" allerdings noch eine recht bunt zusammengewürfelte Kompilation mit Features von Kelis, Grimes und Princess Nokia, ist "Weedkiller" ein wirklich pointiertes, durchdachtes und multimedial aufbereitetes Gesamtkpaket. Hintergrund dieser Dystopie ist eine Art Ashnikko-zentriertes Paralleluniversum, in der eine Feenzivilisation durch Maschinen besetzt und zerstört wird. Es kommt zu racheerfüllten Kämpfen zwischen Natur und Technik, in denen die Feenprotagonistin – das Alter Ego der Musikerin – selbst zu einem Teil Maschine wird. Reale Thematiken wie Korruption, Religion und der Klimawandel werden in diese Fantasiewelt übertragen und in die Tracks eingearbeitet.
In den Titeltrack "Weedkiller" steigt Ashnikko mit wirklich starker Stimme und beeindruckendem Flow ein und beschreibt explizit knallharte Kampfszenen. Sich selbst inszeniert sie als furchtlose Kämpferin: "I made knives out of broken ribs, I will be the one to eliminate you." Dagegen kommt die zweite Singleauskopplung "Worms" melodisch verspielter und auch lyrisch etwas sanfter daher. Hier findet statt strapaziösen Kämpfen ein ironisches Abfinden mit dem Untergang der Welt statt – einer aussichtslosen Lage, der Ashnikko nur noch mit dem Bleichen ihrer Augenbrauen und Gelächter entgegnen kann.
Am intimsten geht es wohl auf "Possession of a weapon" und "Miss Nectarine" zu. Ersteren Song schrieb die Musikerin in unmittelbarer Folge einer gerichtlichen Entscheidung im Sommer 2022: Damals wurde Roe v. Wade gekippt, eine Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1973, die Frauen das Recht zusprach, über Schwangerschaftsabbrüche selbst zu entscheiden. Das Kippen bedeutete also einen eindeutigen Rückschritt weg vom weiblichen Selbstbestimmungsrecht. Im Track setzt Ashnikko den Besitz einer Vagina mit dem Besitz einer Waffe gleich und erkennt auf emotionale Weise an, wie leicht hart erkämpfte Frauenrechte durch die Machthabenden wieder zerstört werden können. "Miss Nectarine" wiederum schaut zurück auf das 14-jährige queere Ich der Künstlerin, die in sehr konservativen Verhältnissen aufwuchs und deren Queerness auf keinerlei Akzeptanz stieß. Abgerundet wird "Weedkiller" durch "Dying star", eine überraschend ruhige Ballade, auf der Ashnikko durch die Musikerin Ethel Cain unterstützt wird und die zu Ende des Albums versöhnend in eine sanfte Stimmung entlässt.
Was Ashnikko richtig gut kann, ist, mit kompromisslosen Phrasen voll angriffslustiger Szenerie zu provozieren und sich dabei keine Gedanken darum zu machen, irgendjemandem auf die Füße zu treten. Musikalisch und lyrisch profitiert dieses Debütalbum aber genauso durch die ruhigen und verletzlichen Tracks, die dem Album eine angenehme Tiefe verpassen. "Weedkiller" ist insgesamt ein absolut rundes Werk einer Künstlerin, die in zeitgeistiger Radikalität vor keinerlei Verletzbarkeit zurückschreckt.
Highlights & Tracklist
Highlights
- World eater
- Worms
- Weedkiller
- Dying star (feat. Ethel Cain)
Tracklist
- World eater
- You make me sick!
- Worms
- Super soaker (feat. Daniela Lalita)
- Don't look at it
- Cheerleader
- Moonlight magic
- Miss Nectarine
- Chokehold cherry python
- Weedkiller
- Want it all
- Possession of a weapon
- Dying star (feat. Ethel Cain)
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Armin
2023-08-25 21:04:03
Ich bin zwiegespalten bei Ashnikko. Sowohl live, als auch auf Platte finde ich sehr besonders, was sie macht. Aber in größeren Dosen auch anstrengend, gerade auf der Bühne.
Z4
2023-08-25 20:39:14
Mehr als diesen Satz brauche ich gar nicht, um mir das anzuhören.
Z4
2023-08-25 20:38:17
Rezension des Jahres.
"Wäre Ashnikko (Pronomen sie/ihr und they/them) Regisseurin des Barbie-Films gewesen, hätten alle Barbies alle Kens am Ende gegessen, statt sich mit ihnen zu versöhnen."
:DD
Armin
2023-08-25 20:34:04- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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